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Italiens Verfassung, die seit dem ersten Januar 1948 die rechtliche und politische Grundordnung Italiens als parlamentarische Republik bildet, steht vor einem historischen Wendepunkt:
Sollte es Ministerpräsidentin Georgia Meloni gelingen, die von ihr angestrebte Verfassungsreform - die sie selbst als „die Mutter aller Reformen“ bezeichnet - zu verwirklichen, so kommt es zu einer radikalen Verschiebung der Machtverhältnisse zugunsten ihres eigenen Amts. Wichtigster Punkt ist, dass der Ministerpräsident bzw. Regierungschef (Meloni benutzt für ihr Amt die männliche Form) künftig direkt vom Volk gewählt werden soll. Stürzen die Abgeordneten den Regierungschef durch ein Misstrauensvotum, soll dieser in Zukunft selbst die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen verlangen können. Mit der Reform würde dem Parlament nicht nur die Bedeutung genommen, sondern auch die Rolle des Staatspräsidenten eingeschränkt werden, der bislang alleine Neuwahlen ausrufen konnte und als ausgleichendes Regulativ im italienischen System sehr wichtig war.
Aktueller Stand: Gegen den Widerstand der Opposition hat die Regierungsmehrheit die Verfassungsänderung bereits durch die Abgeordnetenkammer gebracht. Auch im Senat, der zweiten Parlamentskammer, hat die Reform die Hürde im Ausschuss für Verfassungsangelegenheiten übersprungen. Alles ist bereit für ein Votum im Plenum.
Gaetano Azzariti, Professor für Verfassungsrecht an der Universität La Sapienza in Rom, erklärt im Gespräch mit L’Espresso Journalist Simone Alliva, warum er Giorgia Melonis Verfassungsreform nicht nur ablehnt, sondern sogar für einen Selbstmord der Demokratie hält.
INTERVIEW
Ein Selbstmord der Demokratie. Es geht nicht um die Reform des Premierministeramts, sondern um die Direktwahl des Regierungschefs.
Von Simone Alliva I L’Espresso I 24 Juni 2024
„Die Ablehnung ist weit verbreitet: Die von der Regierung angestrebten Reformen verschärfen die Krise unseres Systems.“ Professor Gaetano Azzariti lehnt „die Mutter aller Reformen“ ab.
„Die Mutter aller Reformen ist Selbstmord“, das sieht Gaetano Azzariti, Professor für Verfassungsrecht an der Universität La Sapienza in Rom, ganz klar und beleuchtet mit Leichtigkeit den Abgrund, auf den Giorgia Melonis Reformen das Land hintreiben.
Herr Professor, starten wir mit dem Begriff „Premierato all’italiana“ (italienisches Premierministeramt):
„Der Begriff ist ein Zeichen dafür, dass die Reform improvisiert ist. Wenn man Begriffe nicht definieren kann, erfindet man einen Neologismus und manchmal setzt man ein Neo davor: Neo-Premierato, Neo-Konstitutionalismus, Neo-Parlamentarismus. Ein anderes Mal erfindet man Parallelen, die historisch und technisch unbegründet sind. „Premier“ zum Beispiel: dieser Begriff bezieht sich auf das englische System, das nichts mit dem italienischen und der Reform der Ministerpräsidentin zu tun hat. Meines Erachtens müsste es korrekterweise „Wahl des Vorsitzenden“ heißen. Dass dies der eigentliche Geist der Reform ist, bestätigt die Regierung, indem sie erklärt, dass alles diskutiert werden kann außer der Direktwahl des Regierungschefs. Das erklärt auch, warum die Rechte die Direktwahl des Staatspräsidenten vorschlägt und in Folge auch eine Direktwahl des Ministerpräsidenten. Sie erraten, worauf diese Reform eigentlich abzielt: auf die Wahl des Regierungschefs. Wenn wir diese Staatsform veredeln wollen, nennen wir sie: Identitätsdemokratie.“
Was bedeutet das genau?
„Carl Schmitt argumentierte, dass der höchste Ausdruck der Identitätsdemokratie die Akklamation sei, das heißt, wenn das Volk Ja oder Nein sagt. Das Volk wird eines Tages dazu aufgerufen sein, den Regierungschef zu akklamieren. Wenn es gut läuft, sehen wir uns in fünf Jahren wieder (so lange sollte dann die Regierung bestehen; das sieht zumindest die Reform vor), wenn es schlecht läuft, wer weiß. Das Premierato wird das Ende der politischen Repräsentation markieren, wie wir sie bisher in pluralistischen und konflikthaften demokratischen Systemen gekannt haben - also in Systemen, die auf der Vielfalt der politischen Subjekte (Pluralismus) und der Suche nach ihrem schwierigen Kompromiss (Konflikt) im Parlament beruhen. Parlamentarische Demokratien spielen diese Rolle: Dort soll die Konfrontation zwischen Mehrheiten und Oppositionen stattfinden. Hier will man stattdessen die identitätsbasierte Wahl einer einzigen Person.“
Seltsam, dass Ministerpräsidentin Georgia Meloni diesen Begriff verwendet. Sie spricht oft von „Regierungschef“. Eine Formel, die am 25. April 1945 aus dem offiziellen Sprachgebrauch gestrichen wurde.
„Sie spielt mit den Worten. Sie erinnert an einen Führer, an den wir uns alle nur ungern erinnern, der aber in einigen Bereichen dieser Regierung Nostalgie erweckt.“
Über Montecitorio (Sitz der Abgeordnetenkammer) und Palazzo Madama (Sitz des Senats) erzählt man sich den Witz: „Das Premierato, de facto, existiert bereits schon.“ Gesetzesdekrete, die in der einen Kammer diskutiert und von der anderen ratifiziert werden, maximale Änderungsanträge, Vertrauensvota. Das Parlament gibt es aktuell nicht mehr.
„Das ist der Makel des italienischen institutionellen Systems. Und es ist erstaunlich, dass man sich dessen bewusst ist, aber anstatt zu reagieren und in die richtige Richtung zu gehen, d.h. das Gleichgewicht zwischen Regierung und Parlament zugunsten des Parlaments neu zu definieren, besteht man darauf, die Befugnisse in die Hände eines einzigen Organs zu legen, was ein bereits bestehendes Ungleichgewicht noch weiter verstärken würde.
Die verfassungsrechtliche Aufgabe Italiens besteht heute darin, die Macht der Regierung gegenüber dem Parlament zu verringern, nicht zu vergrößern; Dringlichkeitsdekrete zu begrenzen und parlamentarische Initiativen zu stärken: Das ist der Weg nach vorn. Ich erinnere daran, dass die klassischen Philosophen von Platon bis Aristoteles erkannt haben, dass nicht die Wahl der Regierungs- oder Staatsform entscheidend ist, sondern das Gleichgewicht, das geschaffen wird, da sonst die Gefahr einer Degeneration besteht. Das größte Problem ist nicht die Direktwahl, sondern das Fehlen von Gegengewichten.“
Der Präsident der Republik ist der Garant der Verfassung. In Zeiten der Polarisierung - so wie heute - hat er sich stets als entscheidend erwiesen. Welche Auswirkungen wird diese Reform auf seine Rolle haben?
„Das Verfassungsrecht erklärt, dass das Staatsoberhaupt eine Vermittlungsbefugnis hat und dass seine Befugnisse nach den Grundsätzen des ausdrücklichen Ersuchens, der Überzeugung und der Autorität ausgeübt werden müssen. Wenn man dem Staatsoberhaupt die Möglichkeit der Vermittlung nimmt, spielt er als Leitfigur der Verfassung keine Rolle mehr. Er wird zum Notar.
Es genügt, sich folgendes Szenario vorzustellen: Der Präsident der Republik hat nach den Wahlen keine Möglichkeit, sich zu weigern, einer nicht gewählten Person ein Amt zu übertragen. Das wäre ein Staatsstreich. Dies gilt auch für eine weitere sehr wichtige Befugnis, nämlich für die Auflösung der Kammern, die in die Zuständigkeit des Ministerpräsidenten übergehen würde. Das würde die Stabilität des Systems gefährden: Seit einiger Zeit übt der Präsident der Republik - und ich spreche nicht nur von Sergio Mattarella (seit 2015 Staatspräsident) - eine ausgleichende Funktion aus, die verloren gehen würde.“
Ministerpräsidentin Meloni hat jedoch recht, wenn sie sagt, dass das Hauptproblem unserer Politik die Instabilität der Regierungen ist: 68 insgesamt in nur 78 Jahren Republik - von 1946 bis heute – je Regierung, mit einem Durchschnitt von nur einem Jahr und vier Monaten.
„Was bedeutet Regierungsstabilität? Es ist ein polysemischer Begriff, der viele Dinge bedeuten kann. Wenn wir sagen, dass Regierungsstabilität mit der Autorität der Regierung und ihrer Fähigkeit zusammenhängt, wichtige sozialpolitische Entscheidungen zu treffen, so stimme ich zu.
Die Instabilität einer Regierung ist ein dramatisches Problem, jedoch eines, das mit der Krise der Demokratie zusammenhängt: mit der immer radikaleren Distanz zwischen Regierenden und Regierten. Denken Sie an die Wahlabstinenz der Italiener. Das ist ein Problem, das mit einer ernsthafteren Reflexion über Artikel 49 der Verfassung gelöst werden müsste, in dem es heißt: „Alle Bürger haben das Recht, sich frei in Parteien zusammenzuschließen, um in demokratischer Weise an der Gestaltung der nationalen Politik mitzuwirken.“ Hier wird die Stabilität mit der Fähigkeit verknüpft, eine politische Richtung zu bestimmen. Dieser Punkt wird aber nicht in Erwägung gezogen. Man denkt nur an die Regierungsdauer. In Folge muss gesagt werden, dass vor dem Wechsel zum Mehrheitssystem die Regierungen zwar sehr häufig wechselten, aber die Koalitionsregierungen eine starke Stabilität der politischen Richtung hatten. Es gab immer eine Partei mit einer relativen Mehrheit - wie die Christdemokraten - die in der Regierung war, während ihre Verbündeten wechselten, und eine andere Partei, die in der Opposition stand. Zur kurzen Regierungsdauer ist zu sagen, dass alle Regierungen - mit Ausnahme der Regierung von Romano Prodi (17. Mai 1996 - 21. Oktober 1998) - aufgrund von außerparlamentarischen Krisen, d. h. aufgrund von Spaltungen innerhalb der Koalitionen, zu Fall gekommen sind.
Darin liegt das eigentliche Problem. Wissen Sie, warum Regierungen in Deutschland länger halten? Aus zwei Gründen: Der erste, ich sage es ironisch, sind die Deutschen. Der Zweite, die Deutschen haben eine Kultur der Koalitionsregierung, wir nicht.“
Und nun?
„Und deshalb müssen wir über die Fragilität von Koalitionsvereinbarungen nachdenken. An dem Tag, an dem wir eine Koalitionskultur leben, werden die Regierungen länger Bestand haben.“
Ich möchte noch einen weiteren Einwand vorbringen: Die Wahl des Ministerpräsidenten ist das Modell, nach dem italienische Gemeinden und Regionen regiert werden. In Italien gibt es Direktwahlen für Bürgermeister und Regionalpräsidenten. Der bekannte Slogan, der auch die Linke einmal verführt hat, kehrt zurück: „Bürgermeister von Italien.“
„Wenn man keine klaren Vorstellungen hat, benutzt man Slogans. Aber wer kann schon glauben, dass der Bürgermeister einer Gemeinde oder gar der Präsident einer Region gleichzusetzen ist mit dem Ministerpräsidenten. Die internationale Verantwortung, die die Staats- und Regierungschefs tragen, wenn sie am G7-Gipfel teilnehmen, um über Krieg und Frieden zu entscheiden, ist damit nicht vergleichbar. Die „lokalen Verwalter“ - wie sie nicht zufälligerweise genannt werden - werden (wieder-)gewählt, weil sie in einer institutionellen politischen Dimension verwaltet haben, die der nationalen nicht gleichzusetzen ist. Je mehr Macht der Regierung und dem Ministerpräsidenten zukommt, desto mehr parlamentarische Kontrollen sind vonnöten.
Nur die Macht beendet die Macht, sagte Montesquieu. Die Demokratie ist ein komplexes Gebilde, das auf Kontrollen und Gegengewichten basiert. Diesen Aspekt vernachlässigen wir auf schreckliche Weise.“
Die Reform ist eine Initiative der Regierung, nicht des Parlaments: das erste Mal in der Geschichte der Republik. Als das Popolo della Libertà seine Verfassungsreform vorstellte, wurde sie im Palazzo Chigi (Amtssitz des Ministerpräsidenten) diskutiert - nicht ohne Skandal. Dies führte dazu, dass der Gesetzesentwurf anschließend im Parlament vorgestellt wurde. Was sagen Sie dazu?
„Die Verachtung für das Parlament ist eklatant. Denken Sie an die Ereignisse der letzten Tage. Die Abstimmung über die differenzierte Autonomie (hier ein interessanter Artikel zur differenzierten Autonomie in Italien) wurde nach zwei Tagen ein weiteres Mal durchgeführt, und zwar unter äußerster Missachtung der parlamentarischen Regeln und der Grundregeln der parlamentarischen Demokratie. Und dann die Kämpfe (was im Parlament geschah, und wie sich die Opposition gegen die drei Reformpakete von Meloni stemmt). Die Verachtung ist immens. Diese Reform führt dazu, dass unser System noch weiter geschwächt wird. Darf ich Ihnen sagen, was mir am meisten aufgefallen ist?“
Bitte. Fahren Sie fort.
„Unsere Abgeordneten begehen Selbstmord. Wenn ich könnte, würde ich einen Appell an unsere Parlamentarier richten und ihnen sagen: Liebe Abgeordnete, Sie zählen schon jetzt wenig, mit dieser Reform werden Sie nichts mehr zählen. Diese Reform bewirkt, dass die parlamentarische Mehrheit an die Wahl eines Ministerpräsidenten gebunden ist, von dessen Willen das Leben der Legislative abhängt. Der Regierungschef hat dann das letzte Wort im Parlament. Das Unglaubliche ist, dass die Wahl des Regierungschefs zwar erwähnt wird, es wird aber nicht erläutert, wie sie zu erfolgen hat, stattdessen wird auf ein Wahlgesetz verwiesen, das wer weiß wie definiert ist. Der einzige verbindliche Hinweis ist, dass immer noch eine parlamentarische Mehrheit für den Ministerpräsidenten garantiert werden muss. Das bedeutet, das Parlament zu töten.“
Herr Professor, ich wollte Sie fragen, welche Gefahren Sie angesichts des Reformpakets - Premierato und Autonomie - sehen. Aber ich denke, es ist offensichtlich.
„Lassen Sie uns über Fakten sprechen, nicht über Meinungen. Selbst diejenigen, die diese Reform begrüßen, werden eines nicht leugnen können: Wenn in dieser Legislaturperiode das Amt des Ministerpräsidenten, die Autonomie und die Trennung der Richterlaufbahnen auf diese Weise reformiert werden, wird die Verfassung von 1948 als solche nicht mehr existieren. Wir würden ihr die Bedeutung nehmen. Das werden auch die Befürworter nicht leugnen können. Wir befinden uns an einem radikalen Wendepunkt in Bezug auf das, was die Verfassung war.“
Was ist die Verfassung für Sie?
„Die Prinzipien, die die Gemeinschaft eines Volkes begründen. Machiavelli vertrat die Ansicht, dass es nicht schwer ist, Macht zu haben. Um ein Königreich oder eine Republik zu erobern, genügt es, stark zu sein oder auch nur die Stärke anderer zu nutzen. Das Problem besteht in Folge darin, sie nach den Regeln des Zusammenlebens zu erhalten. Die Regeln zu Machiavellis Zeiten mögen rein politisch gewesen sein, aber wir haben aus den großen bürgerlichen Revolutionen gelernt, dass das Zusammenleben an grundlegende Prinzipien gebunden ist, die wir in Zeiten der Nüchternheit festmachen, damit sie in Zeiten der Trunkenheit gültig sind. Dies sind Zeiten der Trunkenheit. Unsere Aufgabe liegt darin, eine Verfassung zu verwirklichen, die zwar nicht die schönste, aber die am wenigsten umgesetzte auf der Welt ist.“
Quelle: Simone Alliva Bild: lespresso.it lespresso.it
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Ein aufschlussreicher, unbedingt lesenswerter Beitrag mit geschichtlicher Tiefe.
Im Vergleich zu den Italienern haben wir es ja "herrlich weit gebracht" (Smiley), aber auch bei uns greifen Extremisten mit der Verfassung nach der Macht.
So schreibt Maximilian Steinbeis:
Die Verfassung nutzen, um sie auszuhöhlen
Die Verfassung kann dieses behauptete „Volk“ und seinen behaupteten „Willen“ affirmieren – dann affirmiert auch der autoritäre Populismus die Verfassung. Sie ist insoweit für ihn nützlich, als sie ihm eine Deckung bietet, hinter der er den Mangel an Begründung für seine Setzungen verstecken kann. Solange ihn die Verfassung deckt, lässt sich sein Autoritarismus viel schwerer nachweisen. Er braucht sich nicht mehr zu exponieren, braucht keinen Militärputsch und keine Gewalt mehr, weil und soweit die Verfassung ihm liefert, was er selbst nur behaupten, aber nicht begründen kann: die Rechtfertigung für seinen Herrschaftsanspruch.
Hier der ganze Artikel:
https://www.blaetter.d...
Am Schluss warnt Seinbeis aber auch vor einer Überhöhung der Verfassung:
Aber am Ende sind alle verfassungsrechtlichen Mechanismen, Werkzeuge und Institutionen nur so gut wie das, was die Gesellschaft aus und mit ihnen macht. Die Institutionen der Verfassung können sich nicht selbst schützen – dafür ist die Gesellschaft verantwortlich. Sie muss eine robuste politische Kultur entwickeln, die das autoritär-populistische Spiel rechtzeitig als das erkennt, was es ist: eine Strategie zur Errichtung eines autoritären Regimes. Die Verfassung ist ein Text. Ein wichtiger und inspirierender Text. Gewählte Politiker können ihren Teil zu ihrem Schutz beitragen. Aber Demokratie und Freiheit zu retten, zu verbessern und zu beschützen, ist auch die Aufgabe aller, als Zivilgesellschaft: beim Frühstück, im Büro, im Supermarkt, auf der Demo, beim Familienessen. Das Recht und seine Institutionen können uns nicht retten. Wir sie umgekehrt dagegen schon.