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Feminismen

Die Pumpkin-Spice-Latte-Sicht auf #metoo: Wenn die eigenen Privilegien den Blick versperren

Daniel Schreiber
Autor und Journalist
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Daniel SchreiberDienstag, 24.10.2017

Ich stelle diesen Artikel vor, weil er mich ärgert. In gewisser Hinsicht stellt er die Pumpkin-Spice-Latte-Sicht auf die anhaltende Post-Weinstein-Sexismus-Debatte dar. Die Journalistin Anna Sauerbrey listet in diesem Text zuerst ihre eigenen Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen auf (auch wenn sie sie so nicht nennt) und kommt dabei auf die ziemlich wichtige Beobachtung, dass es sich bei Sexismus im Kern immer auch um ein Problem körperlicher Ungleichheit handelt: Unter Bezug auf die Rassismus-Theorie von Ta-Nehisi Coates schreibt sie, dass auch trivial scheinende sexistische Erlebnisse für Frauen immer auch mit der Möglichkeit körperlicher Gewalt verbunden sind. So weit so gut. Doch dann schreibt Sauerbrey, dass all das ja nicht ganz so schlimm sei, wie sie einmal dachte. Sie hält nichts von Begriffen wie "Rape Culture", wie ihn die Feministinnen ins Spiel brächten, obwohl sie im Satz davor zahlenmäßig darlegt, dass diese Rape Culture existiert. Dann schildert sie all ihre positiven Erfahrungen mit Männern in ihrem Karriereumfeld, als ob das beweisen würde, dass die Ungleichheit, die sie zuvor beschrieben hat, nicht so dramatisch sei. Und schließlich kommt sie in einem Umkehrschluss darauf, dass auch "der alte, weiße Hetero-Mann" längst zum Opfer einer "unzulässigen Stigmatisierung des Körpers" geworden sei. Ta-Nehisi Coates wird sich freuen. In vieler Hinsicht ist dieser Text ein Paradebeispiel dafür, was passiert, wenn man seine eigenen Privilegien nicht mitreflektiert. Nur weil man selbst den schlimmsten Folgen von Sexismus und Ungleichheit ausweichen konnte, heißt das nicht, dass diese Phänomene nicht existieren und dramatische Folgen für andere Menschen haben. Im Grunde ist dieser Artikel nichts als ein intelligentes "Habt euch doch nicht so!".   

Die Pumpkin-Spice-Latte-Sicht auf #metoo: Wenn die eigenen Privilegien den Blick versperren

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Kommentare 3
  1. Tobias Schwarz
    Tobias Schwarz · vor 7 Jahren

    "Sie hält nichts von Begriffen wie "Rape Culture", wie ihn die Feministinnen ins Spiel brächten, obwohl sie im Satz davor zahlenmäßig darlegt, dass diese Rape Culture existiert."

    Ich finde, das Zitat ist ein großartiges Beispiel dafür, daß ein wesentliches Problem dieser Debatte in Begrifflichkeiten besteht, und wie sehr das Bestehen auf manchen Begrifflichkeiten eine sowohl tatsächliche Diskussion als auch weitergehendes Verständnis verhindert, auch wenn sie das Gegenteil behaupten.

    Entsprechend empfinde ich den Artikel ganz anders. Da wird nichts relativiert, es wird nur implizit die bestehende Diskussionskultur und ihre impliziten - vielleicht mittlerweile sogar expliziten - Regeln kritisiert, die auch gerade durch diesen Piq demonstriert werden, und die die Autorin (aus meiner Sicht zurecht) für gerade dieses wichtige Thema für unzureichend und problematisch hält.

  2. Claudia Klinger
    Claudia Klinger · vor 7 Jahren

    Danke für die Empfehlung - hat neugierig gemacht, weil du das so "kantig" beurteilt hast! Nach Sichtung schließe ich mich Daniel an: ein "Habt Euch doch nicht so" kann ich nicht erkennen. Den Artikel hätte ich geschrieben haben können, so vom Inhalt her. Nur dass ich noch ein paar heftigere Erlebnisse zu berichten hätte und dennoch den Selbstverteidigungskurs gar nicht erst besuchte, als ich erfuhr, dass frau da lernen soll, dem Angreifer den Finger ins Auge zu stechen. Für mich indiskutabel, wir hacken ja auch für Raub keine Hände ab... Dennoch bin ich für Kampfsport in der Schule, für alle Geschlechter, das schafft körperlich basiertes Selbstbewusstsein und hilft evtl. auch gegen das Schulhofmobbing.
    Dass wir eine "Rape Cultur" hätten, bestreite ich. Weil wir bei wesentlich häufigeren Verbrechen und Vergehen ja auch nicht von "Kultur" sprechen (Diebstahl-Kultur, Körperverletzungskultur, Unterschlagungskultur?). Und das Generve um den "alten weißen CIS-Mann" empfinde ich als geradezu pubertär.

  3. Moritz Orendt
    Moritz Orendt · vor 7 Jahren

    Hi Daniel,

    danke für deinen piq. Artikel, die ärgern, finde ich immer besonders interessant.

    Ich bin mir bewusst, dass ich auch sehr privilegiert bin. Vielleicht wirkt deswegen der Text so komplett anders auf mich. Ich lese überhaupt kein "habt euch doch nicht so". Sie schildert Angst vor Übergriffen - trotz überwiegend netter Männer: "Und dennoch heißt Frau-Sein die wiederkehrende, oft abrupte Erinnerung an die eigene Körperlichkeit in Form atavistischer Beutetierreflexe"
    Und erkennt an, dass andere nicht in ihrer, privilegierten Lage sind: "Und dennoch ist jede mehr oder minder lapidare sexistische Äußerung eine Erinnerung daran, dass mein solides Grundvertrauen in den Respekt vor der Unversehrtheit meines Körpers zerbrechlich ist – und dass viele andere Frauen den Luxus dieses Vertrauens nicht mehr kennen."
    Auch der Schluss, warum Hetero-Männer sich nur begrenzt zu Sexismus äußern können: "Aber es wird immer ein Rest Fremdheit zwischen uns bleiben: jene Fremdheit zwischen Verstehen und Empfinden."

    Kannst du konkret festmachen, wo sie ihre Privilegien nicht reflektiert? Oder den Eindruck vermittelt "habt euch doch nicht so"?

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