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Intellektuelle Demut #wasfehlt

Silke Jäger
Freie Medizinjournalistin

Ich lebe in Marburg und schreibe über Gesundheit und Gesundheitspolitik.

Zum Kurator'innen-Profil
Silke JägerSonntag, 06.01.2019

Offenbar bemerken wir heute schneller und öfter als unsere Vorfahren, dass Wissen, das wir für gesichert hielten, sich früher oder später als falsch, halbwahr oder unvollständig herausstellt. Wir steuern auf eine Zeit zu – und wahrscheinlich sind wir schon mittendrin – in der wir den Eindruck haben, nichts mehr glauben zu können, was Wissenschaftler über die Welt herausgefunden haben.

Aber vielleicht muss man gar nicht so pessimistisch sein, sondern einfach nur ehrlich zugeben, dass Wissen und wie wir es gewinnen vor allem dadurch geprägt ist, wie unser aller Gehirn funktioniert: Es interpretiert den Input. Das Ergebnis sagt im Zweifel also mehr darüber aus, wie das Gehirn arbeitet als über die Wirklichkeit, die es erforscht. (Manch einen mag das an endlose Diskussionen über den Konstruktivismus erinnern.)

Was wäre also, wenn wir unser festsitzendes Schwarz-Weiß-Denken, das sich so sehr nach "hier richtig, da falsch" sehnt, durch ein anderes ersetzen. Eins, das anerkennt, dass wir den Zweifel brauchen, wenn wir dazulernen wollen. Wer nämlich vorgibt, alles richtig zu machen, begeht damit schon seinen größten Fehler.

In diesem inspirierenden Text über den Umgang mit dem Zweifel und dem Ansatz der intellektuellen Demut, lernt man nicht nur etwas darüber, warum zu viel Sicherheit und Selbstbewusstsein als Alarmsignal gedeutet werden sollte, sondern auch, warum es der gesunde (Selbst-)Zweifel so schwer hat. Das hat viel mit unserer Fehlerkultur zu tun. Aber auch mit den Grenzen unseres Denkens.

Wer schon mal etwas vom Dunning-Kruger-Effekt gehört hat, dem sagt der folgende Satz bestimmt etwas:

The first rule of the Dunning-Kruger club is you don’t know you’re a member of the Dunning-Kruger club.

Wer diesen Effekt noch nicht kennt, sollte auf jeden Fall den Text lesen. Aha-Erlebnisse sind garantiert.

Intellektuelle Demut #wasfehlt

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Kommentare 4
  1. Christoph Weigel
    Christoph Weigel · vor fast 6 Jahre

    feines piq, danke! in dem kontext ist auch hans, anna & ola rosling's "factfulness" als weitere lektüre hilreich, finde ich.

  2. Fritz Iversen
    Fritz Iversen · vor fast 6 Jahre

    Hoch interessant, dass das Thema jetzt wieder aktuell ist. Seit immer mehr konträre Überzeugtheiten direkt sichtbar sind und ausgesprochen werden, wächst zumindest bei den helleren Hirnen die Vorsicht.
    Lichtenberg hat sich schon damit herumgeschlagen, d.h. das Erkennen und Benennen des Ungewissen ist ein Urthema der Aufklärung: "Weise werden heißt mehr und mehr die Fehler kennen lernen, denen dieses Instrument, womit wir empfinden und urteilen, unterworfen sein kann."
    Und "Dem großen Genie fällt überall ein: könnte auch dieses nicht falsch sein?"
    Überraschenderweise war ihm auch schon das heute besonders aktuelle Dilemma bekannt, dass durch die *Taktik* des Anzweifelns entsteht: "Zweifel muss nichts weiter sein als Wachsamkeit, sonst kann er gefährlich werden."

    1. Silke Jäger
      Silke Jäger · vor fast 6 Jahre

      Danke für diese historische Einordnung und den Einwurf der Wachsamkeit. Ich habe leider keine klassische humanistische Bildung im Gepäck, aber mir scheint, wir können es uns auf Dauer nicht leisten, sie weiterhin für marginal zu erklären, weil wir jetzt so viele tolle technische Geräte haben, die uns vielleicht mal ersetzen könnten. Wohl eher gilt das Gegenteil: Weil sie uns vielleicht irgendwann mal vollkommen zurück auf unser Urmenschliches werfen werden, kann uns mehr intellektuelle Demut durch die Sinneskrise helfen. Das scheint mir jedenfalls einigermaßen plausibel zu sein.

  3. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor fast 6 Jahre

    Die Demut ist die intellektuelle Entsprechung der Agilität im technischen Sinne.

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