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Fundstücke

Narcos: Syrien. Wie Captagon zum Exportschlager wurde

Lars Hauch
Researcher. Schwerpunkte: Mittlerer Osten, insbesondere Syrien.
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Lars HauchMittwoch, 08.12.2021

Hunderte Millionen von Captagon-Pillen wurden in den vergangenen Jahren von Behörden sichergestellt. Vor allem im Mittleren Osten, aber auch in Asien und Europa. Das Amphetamin ist verhältnismäßig günstig und hat hohes Suchtpotenzial. Die Funde häufen sich und sind, wie üblich, wohl nur die Spitze des Eisbergs. Auf die Reise geht Captagon in Syrien.

Die Zahlen sind zwar mit Vorsicht zu genießen, doch der Straßenwert der exportierten Droge übersteigt den Wert aller anderen syrischen Exporte. Das Geschäft mit Captagon hat sich zu einem zentralen Wirtschaftszweig entwickelt.

Besonders pikant: Produktion und Vertrieb werden in Syrien maßgeblich von der Assad-Regierung getragen. Es gibt also praktisch niemanden, der dagegen vorgehen könnte. Oder, wie der ehemalige US-Sondergesandte für Syrien es formuliert: 

The idea of going to the Syrian government to ask about cooperation is just absurd. It is literally the Syrien government that is exporting the drugs. It is not like they are looking the other way while drug cartels do their thing. They are the drug cartel.

Die NYT-Recherche fasst zusammen, was bekannt ist, und greift zusätzlich auf eigene Quellen zurück.

Captagon ist im Mittleren Osten recht beliebt. Für eine Pille zahlt man in Saudi-Arabien bis zu 14 US-Dollar. Zwei Pillen entsprechen also dem Monatseinkommen vieler SyrerInnen, die in der „luxuriösen“ Position sind, überhaupt Jobs zu haben. Die Produktion in Syrien ist innerhalb der letzten Jahre professioneller und umfangreicher geworden. Einige Geschäftsleute, die der Assad-Regierung sehr nahestehen und auf Sanktionslisten landeten, haben Investitionschancen gesehen. In alten Fabriken wird die Droge hergestellt, dann über den Libanon, Jordanien oder den Mittelmeerhafen in Latakia transportiert.

Wer in Syrien Waren herstellen und verschiffen will, braucht Rückendeckung. Das übernimmt im Fall der Drogenhändler die syrische Armee. Soldaten bewachen laut NYT-Recherche die Fertigungsstätten bzw. sind selbst direkt beteiligt. Besonders eine Einheit unter Kommando vom Bruder des Präsidenten und mit engen Verbindungen zu Iran ist involviert. Dabei geht es längst nicht mehr nur um Captagon. Neulich erst erzählten mir SyrerInnen, die im Nordwesten des Landes leben, wie neue Drogenkreationen aus Iran auftauchen, deren Konsum verheerende Auswirkungen hat.

Drogenabhängigkeit ist in Syrien zu einem echten sozialen Problem geworden. Abhängigkeit wird noch immer tabuisiert, KonsumentInnen werden wie Kriminelle behandelt. Im türkisch kontrollierten Nordwesten gibt es, so sagte mir ein Arzt vor Ort, lediglich ein einziges medizinisches Zentrum, das auf die Behandlung von Abhängigen vorbereitet ist.

Das NYT-Team erzählt von unterschiedlichen Schmuggelrouten und Wegen, wie die Drogen versteckt werden. An der syrisch-jordanischen Grenze wurden bereits Drohnen gesichtet, mittels derer die Pillen ins Nachbarland transportiert werden. Dort, in Jordanien, ist 2020 auch deutlich mehr Crystal Meth aufgetaucht als zuvor. Und an der Grenze sollen Schmuggler ganz casual halt an Armee-Posten machen.

Syrien hat neuerdings wieder einen Platz bei Interpol und einen Vertreter entsandt, der sich im Bereich von Drogenpolitik auskennt. Gut möglich, dass die syrische Regierung sich als Lösung für ein Problem zu präsentieren versucht, das sie selbst kreiert hat.

Erste Projekte für konstruktiveren Umgang mit Abhängigen laufen in Oppositionsgebieten an. Leider bietet Syrien denkbar schlechte Bedingungen für deren großflächigen Erfolg, dafür aber beste Bedingungen für eine weitere Zunahme von Produktion und Handel.

Narcos: Syrien. Wie Captagon zum Exportschlager wurde

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