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Fundstücke

Wie es ist, mit Schmerzen zu leben, seit Jahren, jeden Tag

Alexandra Endres
Journalistin
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Alexandra EndresDonnerstag, 15.11.2018

Es fühlt sich an wie ein Presslufthammer. Wie ein Bagger oder eine Dampfwalze, die einen zermalmen. Wie ein Hieb mit einem Messer, oder wie Flammen, die einen verbrennen: So spürt Nele den Schmerz. Sie lebt seit 26 Jahren mit ihm, jeden Tag – manchmal ist der Schmerz etwas weniger schlimm, aber weg ist er nie.

Alles begann mit einem Zeckenbiss und einer Borreliose, als sie sieben war. Nele bekam Kopfschmerzen, Fieber, Lähmungserscheinungen. Dann Gelenkschmerzen. Steife Beine. Die Ärzte gaben Antibiotika, die Blutwerte normalisierten sich, die Therapie schien anzuschlagen. Doch der Schmerz blieb. Die Ärzte waren ratlos. Es folgte eine jahrelange Odyssee von Arzt zu Arzt:

In den folgenden Jahren wurde Nele mit Antibiotika behandelt, mit Cortison, mit Opiaten, mit Eigenblut. An manchen Tagen fanden die Ärzte keine Venen mehr, um ihr Blut abzunehmen oder eine Infusion zu legen, so malträtiert waren ihre Arme. Ihre Eltern bemühten sich um jede erdenkliche Therapie, die die Schulmedizin zu bieten hat, als das nichts brachte, um jede erdenkliche alternative Therapie. (...) Selbst der berühmte Doktor Müller-Wohlfahrt, Mannschaftsarzt des FC Bayern München, schickte sie nach Hause. Schließlich gab es keinen Befund mehr.

Die Schmerzen blieben. Sie schränkten Nele ein. An schlechten Tagen ging nichts: Wandern fiel flach, Schwimmen fiel flach, Partys mit Freunden fielen flach.

Die Geschichte von Nele ist wichtig, weil es in Deutschland sehr vielen Menschen so geht wie ihr – mehr als acht Millionen leiden an wiederkehrenden oder immerwährenden Schmerzen, schätzt die Deutsche Schmerzgesellschaft, das wäre jeder zehnte Deutsche – und weil viele sich nicht trauen, über ihre Schmerzen zu sprechen. Sie schämen sich, sie haben Angst vor Ausgrenzung. Wer Neles Geschichte liest, versteht besser, warum das so ist, und was chronische Schmerzen im Alltag bedeuten.

Auch Nele wollte nicht jammern und nicht zugeben, wie schlecht es ihr ging. Stattdessen legte sie sich ein Arsenal an Ausreden zurecht. Irgendwann ließ sie niemanden mehr an sich heran. Wenn sie es nicht mehr aushielt, trank sie Alkohol und nahm Tabletten.

Doch sie schaffte die Wende. Heute spricht Nele über ihre Schmerzen, und sie hat sich ihren Alltag so eingerichtet, dass sie mit ihnen klar kommt. Sie weiß, was ihr guttut und was nicht. Und sie hat sich zu einem mutigen Schritt entschlossen: Sie hat ihre Geschichte öffentlich gemacht, unter ihrem richtigen Namen, denn Nele ist nur ein Pseudonym.

Viele haben mir davon abgeraten, meinen Namen zu nennen. Das wird Konsequenzen haben, sagten sie. Natürlich wird es das. Wenn man ab heute meinen Namen googelt, wird dort immer auch "Borreliose" stehen. Da wird "Alkohol" stehen, "Tabletten", vielleicht auch "nicht belastbar". Keine Ahnung, wie viele Jobs ich deswegen nicht bekommen werde.

Nele ist Hanna Lauwitz, meine Kollegin bei ZEIT ONLINE. Als ich anfing, ihren Text zu lesen, wusste ich noch nicht, dass sie hier über sich selbst schreibt. Die Geschichte ihres Kampfs hat mich berührt, und ich finde, ihre Offenheit und ihre Art, mit den Schmerzen umzugehen, verdienen großen Respekt. Und ihr Text verdient viele, viele Leser. Vielleicht trauen sich durch Hannas Geschichte noch mehr Menschen mit chronischen Schmerzen, aus ihrer Deckung zu kommen. Das wäre schön.

Wie es ist, mit Schmerzen zu leben, seit Jahren, jeden Tag

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Kommentare 1
  1. Barbara Kaufmann
    Barbara Kaufmann · vor 6 Jahren

    Ein unglaublich aufwühlender Text! Danke für den Piqd.

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