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Kopf und Körper

Das Leben auf dem Land ist nicht unbedingt stressfreier

Theresa Bäuerlein
Journalistin. Autorin. Seit (gefühlt) schon immer.
Zum Kurator'innen-Profil
Theresa BäuerleinDienstag, 10.05.2022

Schon mal von sozialem Stress gehört? Dieses Interview mit Mazda Adli, Psychiater und Stressforscher handelt davon. Sozialer Stress ist, was viele von uns erleben, die in Städten wohnen. 

In der Stadt sind das etwa Lärm, Hektik, Gestank, Straßenverkehr – aber auch eine große Dichte an Menschen. Sozialer Stress ist eine Form von Stress, die vor allem aus einer Art der Interaktion mit den Mitmenschen entsteht, die nicht als freundlich und kooperativ, sondern als belastend oder abwertend empfunden wird: Wenn einen jemand auf dem Bürgersteig anrempelt oder wenn mich jemand im Vorbeifahren aus dem Auto anschnauzt etwa.

Aber: Auch Einsamkeit führt zu sozialem Stress, die Abwesenheit von Kontakten also. Das heißt aber nicht, dass das Landleben unbedingt entspannter ist. Zwar gibt es weniger sozialen Stress, wenn man dort Teil einer funktionierenden Gemeinschaft ist. Das kann aber auch zur Belastung werden, weil es eng ist. Und weil Zugezogene nicht so leicht in diese Gemeinschaft hineinkommen. Darüber hinaus haben Landbewohner häufiger bestimmte Gesundheitsprobleme. 

Landbewohner leiden häufiger unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes. Es gibt mehr Übergewicht auf dem Land, die Menschen ernähren sich ungesünder.

Der Zugang zu Gesundheit ist auf dem Land auch schwerer, die ärztliche und psychotherapeutische Versorgung teils viel schlechter. Adli rät gerade Eltern, die meinen, ihrer Kinder wegen aufs Land ziehen zu müssen, sehr genau darüber nachzudenken: 

Wenn ein Umzug aufs Land nur um der Kinder willen erfolgt, die Eltern dort aber kreuzunglücklich sind, tut es auch Kindern nicht gut.

Die Stadt hat auch eigene Vorteile für Kinder: 

Stadtkinder haben bessere Chancen zu demokratischen Bürgern zu werden. Weil sie von früh an mit der Diversität und der Unterschiedlichkeit von Meinungen und Menschen konfrontiert sind und damit einen Umgang finden. Sie haben eine bessere Ambiguitätstoleranz, also die Fähigkeit, Widersprüche und ambivalente Erfahrungen auszuhalten und nicht in Schwarz-Weiß-Denken zu verfallen. Außerdem gibt es in der Stadt ein etwa sehr viel dichteres Netz an Förder- und Entwicklungsmöglichkeiten für Kinder.

Hier allerdings sind die Chancen nicht gleich verteilt. 

Wer wenig Geld oder Sprachbarrieren hat, hat es schwerer, an den vielen Vorzügen teilzuhaben, die die Stadt bietet: Er oder sie kann sich nicht mal eben ein Kinoticket oder einen Museumsbesuch leisten.

Reichere Menschen können sich auch leisten, in schönere Viertel zu ziehen und in Wohnungen mit weniger Lärmbelastung. 

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