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HIV-positiv heute – wie Michael lernt, mit dem Virus zu leben

Susanne Franzmeyer
Piqer für Radio Features
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Susanne FranzmeyerSonntag, 12.12.2021

Wie der Titel schon sagt, begleitet der Autor Ole Siebrecht in seinem Feature " HIV-positiv – Michaels erstes Jahr mit dem Virus" einen guten Freund; von der Diagnose an ein Jahr lang, erlebt, mit welchen Ängsten sein Freund anfangs zu kämpfen hat und wie schließlich wieder ein Stück Normalität in sein Leben einzieht. Alles fing an mit einem routinemäßigen Kontrolltest, den Michael in regelmäßigen Abständen in einem Testzentrum macht.

"Da passieren halt Schicksale, und das spürt man auch irgendwie in dem Raum, dass sich da Schicksale verändern und Leben verändern."

Das Testergebnis wird Michaels Leben grundlegend verändern. Ausgerechnet zu einer Zeit, in der alle Welt darauf konzentriert ist, die Verbreitung eines gewissen Coronavirus' einzudämmen, fängt sich Michael das HI-Virus ein.

"Irgendwann habe ich gemerkt. Ok, etwas stimmt nicht. Ich war so... ich saß da halt rum, und die Leute gingen raus und rein und dann so nach 20, 25 Minuten bin ich noch mal eine rauchen gegangen und hab dann gedacht, ok, seltsam, weil normalerweise sind die immer realtiv fix. Und dann kam irgendwann der Typ zurück, und - der war ganz still. Und daran merkt man halt auch, dass was nicht... dass was nicht richtig ist. Ich hab mich hingesetzt, hab ihn angeguckt, und er hat sich auch hingesetzt, hat die Tür vorher geschlossen, und im Hinsetzen ist es quasi aus ihm rausgeplatzt und hat er gesagt: Gut, du bist positiv."

Seit die Schreckensnachrichten des Virus in den 80er- und 90er-Jahren um die Welt gingen, hat sich viel getan. Dank einer fortgeschrittenen Forschung und der Entwicklung wirksamer Medikamente können HIV-Positive heute ein weitgehend normales Leben führen und das Virus gut unter Kontrolle halten. Trotzdem bleibt für viele ein Stigma erhalten.

"Wir sind als queere Personen  damit aufgewachsen, dass wir besonders gefährdet sind, diese Krankheit zu bekommen. (...) Die Themen HIV und AIDS sind in der Szene allgegenwärtig. Ein Teil des Traumas der älteren Generationen hat sich weitervererbt, hat sich auch auf unsere Generation übertragen, durch Erzählungen der Älteren, derer, die überlebt haben und dadurch auch manchmal so etwas wie Scham empfinden (...)"

Die AIDS-Politik der 80er-Jahre hat mitunter großen Schaden angerichtet. Horst Seehofer hatte damals zum Beispiel eigene Heime für AIDS-Kranke gefordert. Zahnärzte hatten sich landesweit geweigert, positive Patienten zu behandeln, und vieles mehr. Manche Vorurteile haben bis heute ihre Spuren im Bewusstsein der Bevölkerung hinterlassen. Daher hat Michael bislang auch noch aufgeschoben, seinen Eltern von seiner Erkrankung zu berichten.

Michael hat eine Ahnung, wer ihn angesteckt haben könnte. Wütend ist er aber eher auf sich selbst:

"Ich bin nicht sauer, ich bin wenn überhaupt nur wütend auf mich selber, weil ich mich selber zu dem Zeitpunkt nicht so gerne gemocht hab und mich einfach... mir war es so ein bisschen egal. Darüber bin ich wütend, dass ich mir selber so egal war in dem Moment, weil es ist ja... wenn du mit ner Person ohne Kondom schläfst, dann macht man das entweder nur, weil man es vergisst, oder weil man... also es ist überhaupt kein Ding, sich ein Kondom überzuziehen und Sex zu haben, das ist ein Handgriff, so, und diese Person wollte halt kein Kondom überziehen und ich hab es halt zugelassen."

Nach einem Jahr hat Michael gelernt, dass er Vertrauen in die Medizin haben kann, die Ängste sind zunehmend neuer Zuversicht gewichen. Er datet wieder, geht immer offener mit seiner Erkrankung um. Die Angst vor Diskriminierung ist einem neuen Selbstbewusstsein gewichen.

"Ich lebe mit dieser Infektion, ne... so. Ich weiß, wie es sich anfühlt, da durchzugehen. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man die Tablette nimmt, ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man gefühlt 20 Liter Blut abgenommen bekommt. Ich lebe damit. Und wenn irgendjemand irgendwas dagegen sagen sollte, dann ist das nicht meine Sache, weil das sind seine Traumata, das sind seine Stereotypen, das sind seine Vorurteile und damit hab ich nichts zu tun. Dann ist das halt einfach ein Arschloch. (...) Es ist nicht mein Problem, mit Menschen, die nicht damit umgehen können, umzugehen. Ich hab meine eigene Scheiße. Ich muss damit umgehen lernen."

Ein spannendes Feature von WDR und Deutschlandfunk, das hoffentlich auch weiter dazu beiträgt, die tief sitzenden Vorurteile und stereotypen Denkmuster über HIV-positive Menschen abzubauen.



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