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Klima und Wandel

Warum wir weniger von allem brauchen

Leonie Sontheimer
Freie Journalistin
Zum Kurator'innen-Profil
Leonie SontheimerMittwoch, 06.10.2021

Kennen Sie George Monbiot? Er ist britischer Autor und politischer Aktivist und hat unter anderem eine Klimakolumne im Guardian. Was mich an ihm am meisten beeindruckt, ist seine Unermüdlichkeit, unsere Wirtschaftsweise zu kritisieren.

Schon 2019 habe ich eine Kolumne von ihm empfohlen, in der er darauf hinwies, dass Wirtschaftswachstum sich nicht von Ressourcenverbrauch entkoppeln lasse.

Zwei Jahre später. Unser Wirtschaftssystem hat sich nicht grundlegend geändert, Ungerechtigkeiten und die Klimakrise haben sich weiter verschärft. Monbiot kritisiert den Glauben an grünes Wachstum. Doch er findet dafür immer wieder erfrischende Gedanken.

Dieses Mal dreht sich sein Spin um nordatlantische Nordkaper (eine Art der Glattwale, die kurz vor dem Aussterben stehen) und um Denken in Schubladen. Frage man sich, warum die Nordkaper stark gefährdet seien, könne man als Gründe eine Fischereikrise, die Klimakrise, die Versauerung oder Verschmutzung der Ozeane oder auch den Lärm nennen. Das Problem sei nur, dass man diese Gründe als vereinzelte Krisen in einzelnen Schubladen betrachte und damit den wesentlichen Punkt nicht sehe: Schuld sei eine generelle Krise, ausgelöst durch menschliche Aktivität.

What would we see if we broke down our conceptual barriers? We would see a full-spectrum assault on the living world. A recent scientific paper estimates that only 3% of the Earth’s land surface should now be considered “ecologically intact”.

Am Ende sei all dies auf eine Ursache zurückzuführen: unsere Wirtschaftsweise, das Immer-Mehr, Immer-Schneller, Immer-Weiter, der Wachstumszwang. Monbiot glaubt nicht an grünes Wachstum. Oder daran, dass wir das Klima mit Direct-Air-Capture-Anlagen retten können. Nicht falsch verstehen: Er ist nicht pauschal gegen grüne, klimafreundliche Technologie, er warnt nur davor, dass diese zu einem weiteren Ressourcenverbrauch führen wird, wenn wir unsere wirtschaftliche Aktivität nicht insgesamt dramatisch reduzieren.

"Sustaining our life-support systems means doing less of almost everything."

Ich lasse das hier einfach mal so stehen. Vielleicht klingt es ja nach?

P.S.: Die Kolumne wurde schon vor einer Woche veröffentlicht, aber ich wollte es mir nicht nehmen lassen, mein piqd-Comeback so zu beginnen, wie meinen allerersten piq – mit einem Text von George Monbiot.
Ich freue mich, wieder hier zu sein. Haben Sie spezielle Wünsche an meine piqs in diesem Kanal? Schreiben Sie es in die Kommentare!

Warum wir weniger von allem brauchen

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Kommentare 27
  1. Silvio Andrae
    Silvio Andrae · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

    Danke für den piq! An diesem Beispiel wird sehr gut die "Nachhaltigkeitskrise" offenbar. Die Realität wird einzelne Bausteine zerlegt, um sie technokratisch zu lösen. Dabei wird alles zu verwertbaren Objekten gemacht. Die Lebendigkeit geht verloren. Ach und ja, die Portland Swifts sind wieder da - es sind die Mauersegler, die Karen Russel als "Zigarren mit Flügeln" bezeichnet. Sie fliegen wieder ihre Formationen, um dann geschwind im dreistöckigen Schornstein zu verschwinden.

    1. Leonie Sontheimer
      Leonie Sontheimer · vor 3 Jahren

      Ja...

  2. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

    willkommen zurück! Dieser piq war schon mal sehr interessant, wenn auch deprimierend natürlich.

    Ist vermutlich die schwierigste aller Debatten. Denn "wirtschaftliche Aktivität" bedeutet ja etwas - Bequemlichkeit und Konsum, aber auch Versorgungssicherheit, medizinischer Fortschritt und vielleicht sogar auch Freiheit in bestimmten Dimensionen. Und der Status ist so so ungeheuer unterschiedlich - also wer muss wann "aufhören"? Ist es möglich Level zu vereinbaren? Ich kann mir das nicht vorstellen.
    Ich bezweifle übrigens, dass die Menschheit immer nur auf einen Punkt starrt bei der Auseinandersetzung mit dem Problem. Das ist mir zu kulturpessimistisch. Aber was soll die bessere Praxis sein? Es ist ja kaum möglich jeweils an allen Facetten gleichzeitig arbeiten zu wollen.

    Nachhaltigkeit ist bis vor kürzester Zeit kein Kriterium unternehmerischer Planung gewesen. Was ist möglich, wenn es das wird und immer mehr wird, weil die Politik entsprechend steuert? Mir scheint überraschend viel. Auch wenn dabei wieder Fehler gemacht werden und faule Kompromisse - die Fortschritte im Bereich Photovoltaik und Batterietechnologie stellen alle Erwartungen in den Schatten, seit dem dort ernsthaft investiert wird.

    Trotzdem lande ich auch, wie immer, bei der Kapitalismuskritik. Das Diktat des quantitativen Wachstums ist fatal. Wenn weiter nur "gut" ist, was mehr wird, dann gehören wir der Katz. Das macht die Libertären zum schlimmsten Feind des ökologischen Gleichgewichts - denn wie soll ein System entstehen, dass das "immer besser" fördert ohne entsprechende Ordnungspolitik?

    Was bedeutet das für die Einzelne? Und was bedeutet das für die Berichterstattung und die Debatte über das Thema? Welche Narrative bräuchten wir, um ein "kollektives Licht" anzuzünden, eine Bewegung, die nicht nur aus Angst gespeist wird, sondern ein positives Ziel hat. Was ist jetzt drin für die Menschen, die es anders machen wollen? Was könnte den Wunsch nach Luxus und Konsum und unendlichem, gekauften Spaß ersetzen? Darüber scheint mir zu wenig gesprochen zu werden. Nur die permanente Wiederholung der Ankündigung der Apokalypse ist unverzichtbar, aber eben doch auch lähmend.

    Ich wollte mit den Kurator*innen in diesem Kanal mal eine Mini-Konferenz machen, um über diese Dinge zu sprechen. Dieses Jahr klappt das schon wieder nicht mehr - aber wir nehmen den Faden wieder auf.

    1. Leonie Sontheimer
      Leonie Sontheimer · vor 3 Jahren

      Toll, danke für deinen Kommentar. Auf diese Mini-Konferenz freue ich mich schon!

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

      Aber wenn man es wirklich ernst meint mit dem weniger quantitativen, ökologischen Wachstum, dann sind Batterien oder Windenergie kein Ausweg. Jedenfalls nicht solange die Weltbevölkerung wächst. Aber die Fragen, die Du stellst sind erst mal nicht falsch. Aus dem wohlstandsverwöhnten, trägen Deutschland/West-Europa läßt sich das alles auch gut erzählen. Hier wird sich allerdings die Zukunft eh nicht abspielen. Unsere Bürokratie, unser Staat ist jetzt schon kaum in der Lage ernsthafte Probleme zu lösen. Woanders funktioniert die Institutionen noch schlechter. Ein Modell, ein Narrativ für den Rest der Menschheit ist das wahrscheinlich nicht.

    3. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor 3 Jahren

      @Thomas Wahl @Thomas ...nein, das klingt leider noch verzweifelter, als der verlinkte Beitrag. Kein Vorwurf.

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      @Marcus von Jordan Ja, ich werde einerseits zunehmend pessimistischer, was den Zeitrahmen und den (deutschen) Weg betrifft. 10 Mrd. Menschen werden auch mit Sonne, Wind und Batterien nicht naturneutral leben können.

      Andererseits glaube ich nicht, dass die Apokalypse schon bei 2 oder 3 Grad mehr beginnt. Wahrscheinlich hat die Menschheit etwas mehr Zeit als viele hier glauben. Wenn nicht, dann wird es wirklich ernst. Aber darauf bereitet sich hier auch keiner wirklich vor. Ich kenne jedenfalls keine Szenarios, die das mal durchdenken.

    5. Ralph Diermann
      Ralph Diermann · vor 3 Jahren

      Als Gegenposition empfehle ich ein Interview mit dem Volkswirt Jan Schnellenbach, der argumentiert, dass Produktivitätsfortschritte ressourcenschonendes Wachstum möglich machen. Nur so lasse sich erwirtschaften, was wir benötigen, um unser Sozial- und Gesundheitssystem zu finanzieren. Degrowth dagegen sei politisch nicht durchsetzbar – zum Glück, meint Schnellenbach, da dieses Konzept viel zu sehr in die Freiheit der Bürger eingreift. Und: Eine schrumpfende Volkswirtschaft würde bedeuten, dass nicht mehr genug Mittel bereitstehen, um künftige Krisen zu bewältigen.
      Das Interview ist hier gepiqd: https://www.piqd.de/kl...

    6. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 3 Jahren

      @Ralph Diermann wieso das denn? Alle Zahlen zeigen doch dass die Bevölkerung zurück geht - also auch mit schrumpfender Wirtschaft noch ausreichend mittel für dann weniger Bürger... und Eingriff in die Freiheit: ha. Als ob der Wachstumsimpetus uns alle so frei gelassen hätte...

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