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Literatur

"Ein Auftrag für Otto Kwant" und eine "Gebrauchsanweisung fürs Laufen"

"Ein Auftrag für Otto Kwant" und eine "Gebrauchsanweisung fürs Laufen"

Jochen Schmidt
Schriftsteller und Übersetzer
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Jochen SchmidtSonntag, 31.03.2019

Nachdem Zinedine Zidane heute seinen eigenen Sohn in der Startelf aufgestellt hat, scheint es mir verzeihlich, wenn ich bei piqd auf meine neuen Bücher hinweise, die "in diesen Tagen" erschienen sind. Ein guter Grund, das zu tun, ist außerdem, daß ich das wundervolle piqd in den letzten drei Jahren nutzen konnte, um Bücher und Filme über Architektur und Laufen vorzustellen, die für mich bei der Arbeit nützlich waren.

Im März ist bei C.H. Beck mein neuer Roman "Ein Auftrag für Otto Kwanterschienen, ein Abenteuer-, Reise-, Architektur-, Diktatur- und Slapstickroman. Gern hätte ich mich noch viel länger mit Architekturgeschichte und -Theorie beschäftigt, aber davon wäre das Buch nicht mehr besser geworden, man muß da als Autor eine Balance finden. Wenn ich mir eine Meinung zu den Fragen bilden will, die in einer einzigen Ausgabe der FAS angesprochen werden (Verkehrspolitik, Kindergartenpolitik, Trumppolitik, Jogi-Löw-Versagen, Facebook-Regulierung, Vergesellschaftung von Wohnungsbesitz in Berlin, ökologischer Fußabdruck meiner Lebensmittel, wer zahlt für Großeinsätze bei Fußballspielen?, das völlig wahnsinnige Vorhaben, ab 2025 "City-Airbus-Flugtaxis" einzuführen, Wahlen in Istanbul, Litfaßsäulensterben in Berlin, der neue, noch anspruchsvollere Film von Jean-Luc Godard, Tierwohlkennzeichen für Schweinefleisch, Schnirkelschneckengehäuse als Nistorte für Mauerbienen, etc.) müßte ich ein Landgut haben, von dem ich leben kann, und einen Mitarbeiter- und Beraterstab, mit dem gemeinsam ich den ganzen Tag gegen meine universelle Inkompetenz ankämpfen könnte.

Ab und zu muß man sein Scheitern in Büchern dokumentieren, darum darf man sich nicht drücken. "Ein Auftrag für Otto Kwant" ist ein Abenteuerroman, für den ich (hoffentlich) von Franz Kafkas "Amerika", Jim Jarmuschs "Dead Man" und "A Serious Man" von den Coen-Brothers gelernt habe. Mehrmals wurde behauptet, ich müßte in einer solchen Aufzählung auch "Oblomow" anführen. Ich hatte Lust auf ein literarische Experiment, den Versuch, ein "spannendes" Buch zu schreiben, obwohl ich als Leser auf Spannung überhaupt keinen Wert lege. Mein Lieblings-Reiseroman ist Nicholson Bakers "Rolltreppe: oder Die Herkunft der Dinge", auch wenn der Held hier nur einmal mit einer Rolltreppe fährt. Mein zweites Anliegen war, über Architektur zu schreiben, weil ich mir klar darüber werden wollte, ob es möglich ist, die Welt durch Gebäude zu verbessern und durch Schönheit zu retten. Als drittes kam mein Interesse an der postsowjetischen Staatenwelt dazu, deshalb reist der junge Architekturstudent Otto Kwant, der sich eigentlich am meisten für utopische Spielplatzarchitektur interessiert, wider Willen ins zentralasiatische Urfustan und seine kaum zehn Jahre alte neue Hauptstadt Mangana, die sich mitten in der Steppe befindet, und wo westliche Stararchitekten Freiheiten genießen, die sie in einer Demokratie nicht hätten.

Die Umstände haben es ergeben, daß ich im letzten Jahr noch an einem zweiten Buch gearbeitet habe, einer "Gebrauchsanweisung fürs Laufenim Piper-Verlag, die am 1. April erscheint. Ich bin mit dem Titel "Gebrauchsanweisung" nicht sehr glücklich, weil er mehr verspricht, als er halten kann, und weil es zu viele Laufbücher gibt, die Gebrauchsanweisungen sein wollen. Aber die Piper-Reihe heißt nun einmal so, und deshalb muß ich damit leben, daß ich immer wieder erboste Leserkommentare bekomme, die sich unter meinen Büchern "Gebrauchsanweisung für Rumänien", "Gebrauchsanweisung für die Bretagne" und "Gebrauchsanweisung für Ostdeutschland" so etwas wie Reiseführer vorgestellt haben. Es ist aber genau das Gegenteil, nämlich Anti-Reiseführer-Literatur: subjektiv, hoffentlich unterhaltsam, dabei hart recherchiert und informativ soll der Versuch gemacht werden, ein Land oder eine Region zu porträtieren. Für das Laufbuch habe ich mich ein Jahr lang beim Laufen beobachtet und peinliche, großartige und obskure Laufliteratur gelesen und zu allen möglichen abseitigen Details Erkundigungen eingezogen. Gleichzeitig habe ich in diesem Jahr versucht, wieder in Form zu kommen, obwohl Läufer nie in Form sind und eigentlich immer verletzt (bei mir sind es im Moment höllische Schmerzen von einem Hallux valgus). Ich habe nach einem Weg gesucht, das männliche Konkurrenzdenken, den Druck durch die Laufzubehörindustrie und die schleichende Neoliberalisierung des Joggens, das die Welt eigentlich besser machen sollte, zu überwinden, letztlich geht es um viel mehr als Laufen, nämlich um ein besseres, glücklicheres Leben aus eigener Kraft. Ich bin mir sicher, daß mein Buch nicht frei von Fehlern und Ungenauigkeiten ist, so wie mein Laufstil alles andere als perfekt ist. Beim Laufen gibt es zu fast jeder Frage eine Ansicht, die sich durchgesetzt hat und eine gegenteilige Ansicht, die sich ebenfalls durchgesetzt hat. Wir wissen nicht einmal genau, warum ein Sieger im Ziel die Arme in die Luft wirft, oder welche Ursache Seitenstiche haben (oder irre ich mich?) Ich bitte deshalb alle Läufer, Mediziner und Sporthistoriker um Nachsicht, dieses Buch kann keines ihrer Bücher ersetzen, was aber, so hoffe ich, auch im umkehrten Sinn gilt.

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Kommentare 1
  1. Andreas Merkel
    Andreas Merkel · vor mehr als 5 Jahre

    Schmiddy, Du sollst Deine Bücher hier nicht wie Sauerbier anbieten, sondern schonungslos selbst rezensieren ... Glückwunsch zum Doppelschlag! Besorg mir das Laufbuch gleich morgen.

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