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Literatur

"Umkämpfte Zone" von Ines Geipel

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yourbook. shopSonntag, 20.02.2022

Erst 2006 vom Westen in den Osten gekommen, erlebe ich sehr häufig eine unterschiedliche Sicht auf die Sachlage des Alltags. Auch wenn die Grenze aus den Köpfen oft kleingeredet wird, ist sie immer noch vorhanden. Warum das so ist, wollte ich mit diesem Buch erkunden.

Ines Geipel, geboren 1960 in Dresden, beschreibt anhand ihrer Familiengeschichte, was im Osten anders lief. Sie selbst hat ihrem Heimatland 1989 den Rücken gekehrt und lebt nach den Jahren in Westdeutschland, wo sie Philosophie und Soziologie studierte, als Professorin in Berlin. Sie hat bereits mehrere Bücher zur Geschichte des Ostens publiziert.

In der „umkämpften Zone“ verarbeitet sie zum einen den Verlust ihres Bruders, der ihr in der Kindheit sehr nahe stand. Gerade die Szenen aus Dresden und dem Umland haben mich sehr berührt, da ich die Gegend sehr liebe. Wer Dresden kennt, dem wird das Herz beim Blick auf das Cover, das den Luisenhof und die Standseilbahn zeigt, aufgehen.

Doch eigentlich geht es in diesem Sachbuch mit den vielen persönlichen Einflechtungen um eine Abrechnung der Autorin mit der DDR-Vergangenheit. Schon vor der Gründung der Republik begann das große Schweigen. „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben“, soll Walter Ulbricht gesagt haben (Seite 53). Die deutsche Nazi-Vergangenheit wurde niemals aufgearbeitet. Schon bald nach dem Krieg wurden jüdische Friedhöfe in Karl-Marx-Stadt und Zittau geschändet. „Die Öffentlichkeit durfte allerdings nicht davon erfahren.“ (Seite 135) So ging es weiter bis zur Wiedervereinigung. In den Augen der Autorin sind die über mehr als 50 Jahre durchgehende Diktaturerfahrung und die große Verunsicherung nach dem Mauerfall mit verantwortlich für die explodierenden Zeitbomben in Hoyerswerda (1991) und Rostock-Lichtenhagen (1992). In diesem Milieu fanden Reichsbürger, Pegida und AfD den idealen Nährboden.

Ich habe in diesem Buch vieles erfahren, was mir bisher gar nicht bekannt war und möchte es all denen empfehlen, die mehr über die unterschiedliche Vergangenheit der Menschen in Deutschland wissen wollen. Vielleicht hilft gegenseitiges Verständnis eines Tages dazu, endlich die Grenze in den Köpfen fallen zu lassen.

Eine Rezension von Gabriele Kania, in der yourbook.shop-Community bekannt als lieberlesen.

"Umkämpfte Zone" von Ines Geipel

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Kommentare 6
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor fast 3 Jahre

    Das Ulbricht-Zitat stammt aus diesem Buch:
    https://yourbook.shop/...

    Auch die anderen Bücher von Leonhard sind besser als Frau Geipel.

    Wer behauptet, dass die Nazivergangenheit in der DDR nicht aufgearbeitet worden ist, schaue auf diese Liste:
    https://www.rosalux.de...

    Der erste Spielfilm über die Shoah war STERNE von Konrad Wolf, der u. a. den Großen Preis der Jury in Cannes 1959 gewann und erst nach 1990 für einige Jahre verschwand - bis er durch Steven Spielberg über Hollywood ins neu vereinte Deutschland zurückkam.

    Die meisten der Hitlerflüchtlinge, die nach 1945 zurückkehrten, ging in die DDR - von vielen Unbekannten bis zu Weltgrößen wie Brecht oder Bloch oder Seghers.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor fast 3 Jahre

      Aber die Aufarbeitung Nazivergangenheit ist etwas mehr als der Holocaust. Dazu gehört auch der Hitler-Stalin-Pakt, der Stalinismus selbst, Katyn, die unselige Sozialfaschismusthese und die vom Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Und auch die NSDAP-Mitglieder in der SED.

      Man müsste auch klar machen, wieviele Hitlerflüchtlinge und -gegner dann aus der DDR in die Bundesrepublik geflohen sind. Leonhard, Gniffke oder Bloch waren doch nicht die einzigen.

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor fast 3 Jahre · bearbeitet vor fast 3 Jahre

      @Thomas Wahl Thomas, das wäre ein buchlanger Kommentar.

      Mein Favorit, von einem Nachgeborenen geschrieben, sind Uwe Johnson Jahrestage (hier mit Ergänzungen).
      https://www.suhrkamp.d...

      Da sind alle diese Konflikte drin. Willst Du ergänzen?

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor fast 3 Jahre

      @Achim Engelberg Das ist hier sicher nicht das richtige Format es direkt diskutieren. Und die dafür nötige Zeit spielt auch eine Rolle. Aber eine Leseliste wäre eine gute Idee

      Also ich empfehle Erich W. Gniffke: "Jahre mit Ulbricht" mit einem Vorwort von Wehner; 1966 Verlag Wissenschaft und Politik Köln (Reprint 1990)

      https://de.wikipedia.o...

      Und natürlich Peter Weiss: Die Ästhetik des Widerstandes (in der DDR spät erschienen 1987)

      Interessant ist auch, was W. Mittenzwei über "Die Intellektuellen" in Ostdeutschland schreibt. (Faber Leipzig, 2001)

      Im übrigen lese ich gerade dein Buch zu den Rändern Europas. Das Kapitel über die Ukraine ist heute fast etwas prophetisch. Überhaupt, ein gelungenes Werk ……

    4. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor fast 3 Jahre

      @Thomas Wahl Danke.

      Die Ästhetik des Widerstandes ist das einzige mir bekannte Werk, wo es Streichungen in Ost und West gab und das erst zum 100. Geburtstag von Peter Weiss in einer definitiven Fassung erschien:

      "Die beiden Ausgaben, in der Bundesrepublik die des Suhrkamp Verlags, Frankfurt am Main, in der DDR ab 1983 die des Henschel Verlags, Ost-Berlin, weichen im Textbestand vor allem im dritten Teil beträchtlich voneinander ab. Nun hat der ausgewiesene Philologe und Weiss-Kenner Jürgen Schutte die definitive Fassung erstellt: Sie präsentiert den Text nach den Vorgaben von Peter Weiss."

      https://www.suhrkamp.d...

    5. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor fast 3 Jahre

      @Achim Engelberg Ah, interessant. Ich hab die drei Bände 1987 in der Brechtbuchhandlung erstanden. Drei mal und weiterverteilt. War dann auch gleich ausverkauft.

      24 € für die ungekürzte Ausgabe könne man ja noch mal ausgeben. Obwohl ich gerade den Großteil meiner Bibliothek abgegeben habe. Aber wann soll man das alles noch mal lesen - in einem kurzen Leben.

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