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Sachbuchautor über Romane in Berlin. Letzte Veröffentlichung: "Mein Leben als Tennisroman" (Blumenbar). Kolumne "Bad Reading" im Freitag (das meinungsmedium).
Der jetzt auch nicht so super gealterte Fehlfarben-Sänger Peter Hein ("Paul ist tot") meinte mal, er sei nicht negativ, er finde nur alles scheiße, und eigentlich wollte ich dieses Buch hier nicht schlecht finden. Aber dann las ich letztens in der SZ einen Artikel ("Wo die milden Kerle wohnen", von Carlos Spoerhase) über das neue Play-Nice-Syndrom in der Literaturkritik. Die meisten Redaktionen bringen nur noch "positive" Empfehlungen. Und:
Die literarische Welt ist klein. Kritiker und Kritisierte gehören meist der gleichen sozialen Gruppe an; früher oder später laufen sie sich wieder über den Weg. Nicht ungewöhnlich ist ein Rollentausch: Kritiker schreiben häufig selbst Bücher; Buchautoren schreiben auch Rezensionen oder sitzen in Jurys für Literaturpreise. Wenn der Autor eines Buches, das man gerne negativ besprechen würde, bei nächster Gelegenheit darüber befinden kann, ob man selbst ein preiswürdiger Autor ist, verhält man sich doch lieber freundlich. Die grundsätzliche Verhaltensmaxime lautet dann play nice.
Auch wenn es im Artikel um die amerikanische Szene ging, dürfte es hierzulande vielleicht nicht ganz anders sein. Einzige Ausnahme zum Play-Nice-Prinzip sei das You-can-punch-up-but-never-down-Prinzip: Ausgeteilt wird nur noch nach oben. Das zarte Debüt-Pflänzlein gilt es zu schonen, aber bei den Großtrotteln (Kehlmann, Grünbein etc.) kann schon mal ausgleichend hingelangt werden, um Reputation und Aufmerksamkeit zu sichern.
Nun ist die junge Irin Nicole Flattery, deren Show them how to have a good time gerade auf Deutsch erschienen ist ("Zeig ihnen wie man Spaß hat", Hanser, übersetzt von Tanja Handels) ein bisschen beides. Im Windschatten von Sally Rooney (liefert den Blurb) wird sie bereits als the next big thing gehandelt (Preise, Lobeshymnen in der ZEIT, demnächst bestimmt Serie bei Netflix). Und gleichzeitig natürlich trotz allem immer noch Debütantin.
In ihren acht Erzählungen hat selbstverständlich niemand Spaß, stattdessen arbeiten acht junge Frauen, die alle dieselbe sein könnten, an Tankstellen, studieren Theaterwissenschaft oder haben pandemische(!) Blind-Dates. Das Buch strotzt einerseits vor lakonischem Sprachtalent. Und nervt andererseits genau damit (Stichwort originelle Metaphern). Am schlimmsten aber ist die altkluge Abgefucktheit (oder abgefuckte Altklugheit), die jede der frühreif zerstörten Charakterinnen vor sich hertragen muss. Wenn man die Geschichten laut liest, klingen selbst die guten Stellen irgendwann wie Horst Evers. Zum Beispiel "Abtreibung: eine Liebesgeschichte", Natasha und Lucy suchen einen dramatischen Monolog zum Vorsprechen für Lucy:
In den Stücken gab es Frauen, die durch Türen gingen, Frauen, die ihre Männer zum Abendessen riefen, Frauen, die ihren Männern treu blieben oder ihnen untreu waren und dafür schwer bestraft wurden. Frauen, die auf Inseln lebten, einsame Frauen oder Frauen, die einfach in Ruhe gelassen werden wollten, unscheinbare Frauen, wachsame Frauen, und oft genug auch tote Frauen. Die ganze Zeit hatte Natasha ABTREIBUNG: EINE LIEBESGESCHICHTE im Umschlag neben sich. Sie konnte es nicht loslassen. Sie glaubte, es könne ihr etwas offenbaren.
So richtig gut ist die in den meisten Rezensionen hochgelobte Übersetzung leider auch nicht. Vieles wurde zu brav eingedeutscht. Gleich in der ersten Story, wo die Erzählerin an einer Tankstelle arbeitet und im Original dauernd vom "management" drangsaliert wird, was auf Englisch ziemlich cool klingt – management suggested to do this and that ... -, wird daraus auf Deutsch "die Geschäftsleitung".
Dennoch fand ich das unten verlinkte Werkstattgespräch zwischen Andrea O’Brien und Übersetzerin Tanja Handels ganz interessant (vielleicht auch nur, weil in meinem Leben trotz Corona ZOOM-Meetings glücklicherweise keine Rolle spielen). Irgendwann soll Tanja Handels eine Geschichte vorlesen und führt die Protagonistin mit dem schönen Satz ein: „… ja und dann sitzt die in Paris und weiß nicht so recht, wo sie sich lassen soll.“
Allerdings: Warum müssen Frauen im öffentlichen Literaturbereich immer so supernett und vorsichtig-niedlich miteinander reden (zum Beispiel auch die Radio1-Literaturagentinnen Gesa Ufer, Marie Kaiser usw.)? Man denkt dann immer, in echt hassen die sich. Oder es gibt da irgendeinen schlimmen Abgrund zwischen ihnen, um den es ja auch bei Nicole Flattery dauernd geht.
Quelle: O'Brien, Handels Bild: privat EN www.youtube.com
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Ich bin nicht sicher, ob dein Text ein Verriss ist, aber du hast ihn auf jeden Fall so gut geschrieben, dass ich total Lust auf das Buch bekommen habe - war sicher nicht Sinne der Sache ;)
Hast Du mal versucht in der Lokalpresse kritisch mit den Werken in der Nachbarschaft lebender Künstler umzugehen? Holy Moly. Gut, wenn Dein Kind dann ein paar Kilometer weiter weg zur Schule geht. Schöne Lesung von Tanja Handels. Hätte mir als solche gereicht.