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Medien und Gesellschaft

Angelika Overath über verbotene Wörter

Dirk Liesemer
Autor und Journalist
Zum Kurator'innen-Profil
Dirk LiesemerMontag, 29.06.2020

Die Schriftstellerin Angelika Overath stellt eine provokante Frage, die sich nicht so leicht beantworten lässt: "Können wir ohne das Wort 'Mohr', ohne das Wort 'Neger', ohne das Wort 'Weib' über Diskriminierung und Schönheit und Identität sprechen?" Dass solche Wörter ausschließlich verletztend und gar rassistisch verstanden werden, ist historisch gesehen eine jüngere Lesart, die sich gegen andere durchgesetzt hat. Dabei, so notiert die Schriftstellerin, haben Wörter "spezifische Widerstände" und "Geschichten" und "changieren mit ihren Kontexten".

Diese Feststellung klingt eigentlich banal – aber doch auch anachronistisch, weil sich, jedenfalls nehme ich es so wahr, ein Verlangen nach eindeutiger, opportuner Begrifflichkeit durchsetzt. Nach Wörtern, die man möglichst nicht interpretieren und bei denen man nicht mitdenken muss. In der Wissenschaft geht es nicht anders, aber im Alltag und erst in der Literatur?

Anders gefragt: Was geht kulturell verloren, wenn man etwa den Begriff "Weib" vollends auf den Index verbannt, den es bekanntlich nur im metaphorischen Sinne gibt? Bei Lesen dieses Wortes fielen mir die Feministinnen Renate Wurms und Florence Hervé ein, die ihr großartiges Nachschlagewerk über Frauen selbstbewusst als "Weiberlexikon" bezeichneten. Sie drehten also den Spieß um und gaben dem Wort eine neue Facette. Renate, die ich gut kannte, hatte an dieser subversiven Vorwärtsverteidigung ihren Spaß.

Für interessanter halte ich gleichwohl Overaths Frage, ob wir "verbotene" Wörter brauchen, um moralische und ästhetische Themen zu verhandeln. Overath selbst schreibt am Ende: "Wenn wir Angst vor Wörtern haben, wie sollen wir den Mut finden zu eigenen Gedanken?"

PS: Ein paar Tage lang ist der kostenpflichtige Text auch auf Blendle abrufbar, danach nur noch auf faz.net

Angelika Overath über verbotene Wörter

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Kommentare 4
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor mehr als 4 Jahre

    Danke!

    Kurz davor erschien ebenfalls in der FAZ ein Gespräch mit dem Historiker Wolfgang Reinhard mit dieser Passage:

    Wenn weiße Kinder sich für das Dreikönigsspiel schwarz anmalen, werden sie als rassistisch bezeichnet.

    Ja, das ist eine Art Hyperallergie, die wir uns anerzogen haben. Um auf Mbembe zurückzukommen: Sein berühmtes Buch heißt im Original „Critique de la raison nègre“. Korrekt übersetzt: „Kritik der Neger-Vernunft“. Aber es traut sich keiner, „Neger“ zu schreiben. So heißt es deutsch „Kritik der schwarzen Vernunft“.

    Die Frage ist, ob man die Phänomene selbst zum Verschwinden bringen möchte, indem man das Wort „Rasse“ verbannt oder „Sklave“. Wir haben darüber gesprochen, dass der Sklavenhandel innerhalb Afrikas von einheimischen Akteuren und muslimischen Zwischenhändlern dominiert wurde, bis weit ins achtzehnte Jahrhundert hinein.

    Ich fürchte, bis ins einundzwanzigste.

    Darf man das heute noch feststellen und gleichzeitig eingestehen, dass Europäer Schuld auf sich geladen haben?

    Da bin ich entsetzlich altmodisch: Ich habe etwas gegen Sprachreinigung. Wir haben uns eingebildet, wenn wir das Wort „Rasse“ abschaffen, dann gibt es auch die Sache nicht mehr. Das ist eine Überschätzung der Sprache.

    Hier das ganze Gespräch auf blendle:
    https://blendle.com/i/...

    1. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor mehr als 4 Jahre

      Als Kinder haben wir oft Cowboy und Indianer gespielt, ich war grundsätzlich immer Indianer, sie waren der Natur verbundener und das gefiel mir - und dabei habe ich gelernt, wie sehr man sich vor diesen Cowboys und ihren Pistolen und ihrer Landnahme in Acht nehmen muss. Ich fühlte mich in die Welt der Indianer ein und schaute durch ihre Augen, jedenfalls so weit das einem Kind möglich ist. Es war ganz klar: Cowboys sind eine Bedrohung. Gerade solche Spiele ermöglichen es Kindern doch, einmal die Perspektiven zu wechseln. So etwas zu kriminalisieren, ist wirklich gröbster Unfug.

    2. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor mehr als 4 Jahre

      Übrigens schreibt der Historiker Götz Aly just heute in der Berliner Zeitung zum Streit über die Mohrenstraße: "Sie hob diese Fremden, die sich damals in Berlin aufhielten, in den Rang eines freundlich begrüßten neuen Standes. Wie die anderen Namen der Friedrichstädter Straßen hatte die Mohrenstraße niemals einen herabsetzenden Beiklang. Vielmehr symbolisierte sie die Achtung vor anders sprechenden, anders aussehenden Menschen. Und genau diese Haltung gilt es für die gewiss bunte Zukunft Berlins zu bewahren." https://www.berliner-z...

    3. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 4 Jahre

      @Dirk Liesemer Danke!

      Die Deutung kannte ich, aber die Gesetzeslage war mir unbekannt:

      "Das Berliner Gesetz zum Denkmalschutz schließt nicht nur Bauwerke ein, sondern auch „Denkmalbereiche“. Laut Paragraf 2, Absatz 3 umfassen sie „eine Mehrheit baulicher Anlagen einschließlich der mit ihnen verbundenen Straßen und Plätze“. Dazu gehören in der Grundstruktur erhaltene städtische Ensembles wie die Friedrichstadt und selbstverständlich die historischen Straßennamen."

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