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Medien und Gesellschaft

Civic Signals – endlich eine Alternative zu Facebook? Leider nein.

Frederik Fischer
Mitgründer KoDorf / Summer of Pioneers - Neues Leben und Arbeiten auf dem Land
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Frederik FischerSonntag, 03.01.2021

Was für eine Schnitzeljagd. Ich weiß nicht mehr, wann ich zuerst über Civic Signals gestolpert bin. Jedenfalls wurde das Projekt als gemeinwohlorientierte Alternative zu Facebook angekündigt. "Gemeinwohlorientierte Alternative zu Facebook"? Danach suche ich doch schon seit Jahren! 

Also schnell in den Browser "Civic Signals" getippt und civicsignals.org gefunden. "We believe digital environments should be better public spaces" ist dort zu lesen und zu sehen ein TED-Talk zum Thema von Eli Pariser. Ich bin ganz bei euch, liebe Leute. Das Problem ist klar, aber wo ist nun die Lösung? Ah, die gibt es noch gar nicht. Daran arbeite man gerade. Vom 12.01. bis 14.01. wolle man "world-class urban planners, technologists, designers and community leaders" zusammenbringen, um die digitale Öffentlichkeit neu zu denken. Ohne Profitgier. Vom Menschen aus gedacht. Das klingt fein. 

In den letzten Tagen begegnete mir Pariser dann erneut auf diversen Kanälen: 

"Several groups, working with universities, foundations, and private actors, are experimenting with forms of digital, networked interaction that does not exploit users and treats them like citizens rather than cattle. These research groups reimagine what social media would look like without massive surveillance, and they hope to build followings by offering a more satisfying intellectual and cultural experience than Facebook could ever hope to. Civic Signals is one such group."

Also noch mal auf civicsignals.org, aber da rollen immer noch die Strohballen über den Bildschirm. Das kann doch nicht deren Ernst sein? Dann halt ab zu Twitter und im Profil von Eli Pariser gestöbert. Kein Civic Signals weit und breit, dafür aber der Verweis auf den Account "@WeAreNew_Public". Hurra, den Account gibt es sogar. Dort klärt das Logo auf: "The New Public by Civic Signals". Die beiden Projekte hängen also zusammen. Nur wie? "Join us: http://newpublic.substack.com" steht in der Bio. Mache ich. Schnell zum Newsletter anmelden und Registrierung bestätigen. Dann: Nichts. Klar, müsste jetzt auf den nächsten Newsletter warten, aber ICH WILL DOCH JETZT WISSEN WIE WIR DAS INTERNET RETTEN. Ich spüre schon, wie meine facebookverseuchten Synapsen den Hulk in mir wecken. Also noch mal zurück zu Substack. Da müsste es doch ein Archiv mit alten Newsletter-Ausgaben geben? Gibt es. Hilft mir aber nicht weiter. Ich brauche kein weiteres Interview mit Eli Pariser oder "A New Year’s Resolution for the Internet—in 6 Words". Ich suche nach einer aussagekräftigen Website. Langsam verliere ich wirklich die Nerven. Steckt hinter "Civic Signals", bzw. "The New Public" letztendlich nicht mehr als ein Newsletter? Das kann doch nicht sein. Also noch mal zurück auf Start, bzw. Google, "The New Public" getippt, einen Eintrag zum Wirtschaftslexikon gefunden. Dort könnte ich jetzt etwas über "New Public Management" lernen. ICH WILL ABER DOCH WISSEN WIE WIR DAS VERDAMMTE INTERNET RETTEN, ZEFIX!". Na toll, jetzt habe ich tatsächlich die Nerven verloren. Noch mal zurück zu Twitter und zum Account von Eli Pariser. Jibbetdochnich: Dort verhöhnt mich unter der Bio doch tatsächlich ein Link zur Website newpublic.org. Und siehe da: Diese Seite wirkt tatsächlich so aus, als meinten die es ernst. Vielleicht ein bisschen zu ernst. Die vielen Farben passen jedenfalls nicht so recht zu den verkopft-kryptischen Texten. Da: Eine Grafik. Die erklärt es bestimmt auch minderbemittelten Durchschnittsnutzer*innen wie mir. Also, woran arbeitet TheNewPublicByCivicSignalsByEliPariser nun konkret? Zum Beispiel an "Productive Fiction", "Public Imaginations" und "Speculative Showcases" sagt die Grafik. Und an "Civic Signals". Wie jetzt? Ich dachte Civic Signals arbeitet an "The New Public"? Ein Blick ins Impressum könnte aufklären, aber das fehlt auf beiden Seiten. Jetzt reicht es mir aber. Dagegen ist Facebook ja reines Baldrian. 

Zur Beruhigung gehe ich auf piqd und bin damit dann doch endlich am Ziel. "Flourishing, public-friendly digital spaces" hat mir Civic Signals versprochen. Bei piqd habe ich einen davon gefunden. Und piqd in mir ein weiteres zahlendes Mitglied. Wenn wir mehr wollen als Phrasen, müssen wir als Gesellschaft vielleicht auch mal ein paar Euros latzen. Auch das sind "Civic Signals". Nur etwas weniger abstrakt. 

Civic Signals – endlich eine Alternative zu Facebook? Leider nein.

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Kommentare 7
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor fast 4 Jahre

    Das zeigt nur: es ist zu spät dafür ein neues anderes "facebook" gründen zu wollen was dann kein facebook ist. Viel zu spät.

    wieso eigentlich auch? Wenn mir der "Hersteller" von wasweisich Hochhäusern nicht passt, muss ich doch nicht gleich das Konzept Haus und Wohnraum komplett ändern: nein - ich suche jemanden anderes, der baut und vermietet.

    (und bei aller Liebe zu piqd: das erfüllt doch nur einen Teil der von FB angebotenen Angebote.)

    konkret: facebook muss anders werden, anderen gehören und bzgl. der Verwertungslogik angepasst (keine Werbung bzw. die aufmerksamkeitslogik geändert).
    Aber facebook für die User bleibt - schließlich wollen / nutzen sie/wir es so.
    sprich: ich bin für eine Art öffentlich-rechtliches FB.
    Ich schütte doch das Kind nicht mit dem bade aus. ..

    1. Frederik Fischer
      Frederik Fischer · vor fast 4 Jahre

      Hallo Cornelia,

      es macht natürlich keinen Sinn, ein neues facebook zu gründen, das die alten Probleme repliziert. Die Aufgabe, die ich sehe, ist es (wie du auch schreibst) zu überlegen, welche gesellschaftlich relevanten Funktionen Facebook erfüllt und diese in eine gemeinwohlorientierte Struktur zu überführen. Ich persönlich brauche aber nicht alle Funktionen in einem Produkt. An piqd zum Beispiel schätze ich, dass es hier einen Ort gibt, an dem ich auf journalistische Qualitätsinhalte stoße, diese eingeordnet bekomme und sie diskutieren kann (das hat Facebook früher für eine kurze Zeit übrigens auch einmal geleistet). Ich brauche auf piqd aber keine Social Media Funktion. Umgekehrt erwarte ich zum Beispiel von meinen Messenger-Diensten nicht notwendigerweise einen Newsfeed. Will nur sagen: Ein Teil des Problems von Facebook ist seine Größe. Es möchte alles können, alle erreichen, alle mit Werbung beeinflussen (und dabei natürlich maximal viel Kohle scheffeln). Das kann nicht gut gehen. Auch eine öffentlich-rechtliche Version so eines gigantischen Apparates wird vermutlich scheitern. Ansonsten bin ich aber ganz bei dir: Wir sprechen hier von einer Infrastruktur, auf die man im Alltag kaum verzichten kann. Viele digitale Dienste nutzen wir damit eben nicht mehr aus völlig freiem Willen heraus, sondern weil wir "gefangen" sind. Das ist kein Zustand, den wir aus anderen Bereichen kennen (z.B. Straßen, Trinkwasser, etc.). Hier erwarten wir selbstverständlich eine Trägerschaft in (teil-)öffentlicher Hand. Ich sehe dafür auch im Digitalen keine Alternative. Das wird aber niemals Facebook sein. Um Neugründungen kommen wir daher nicht herum, fürchte ich. Es ist niemals zu spät:)

  2. Wiebke Reißig-Dwenger
    Wiebke Reißig-Dwenger · vor fast 4 Jahre

    super piq. Danke Dir !

    1. Frederik Fischer
      Frederik Fischer · vor fast 4 Jahre

      Vielen Dank für den Zuspruch:)

  3. Maria Jose Perea Marquez
    Maria Jose Perea Marquez · vor fast 4 Jahre

    Danke für den Hinweis zu dieser Initiative, die ich schmunzelnderweise sehr gerne zur Kenntnis genommen habe.

    Wenn ich eine weitere Sichtweise dazu teilen darf, dann glaube ich persönlich daran, dass der Zugang zu Bildung ein wichtiger Schlüssel sein kann, damit solche Initiativen einen breiteren Anklang und vielleicht sogar Akzeptanz finden können. Leider müssen immer noch solche Beiträge (https://www.linkedin.c...) fast schon zelebriert werden.

    1. Frederik Fischer
      Frederik Fischer · vor fast 4 Jahre

      Absolut. Der Siegeszug von Facebook und all den konspiratorischen Seelenfänger*innen ist mindestens so sehr ein Bildungs- wie ein regulatorisches Problem.

  4. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor fast 4 Jahre

    ach du gute Stute... <3
    Danke!

    Es sind ja viele solche Initiativen und Wohlmeinenden und der König der guten Pläne Mr. Ulrich Wilhelm hat ja auf dem Weg zur Ausgangstür seines Intendantenamtes noch mal sehr laut und mit einer "Digitalagentur" verkündet, was es jetzt zu tun gibt in Sachen Plattform. Allein er nimmt das Geheimnis mit in Rente warum das eigentlich warten musste, bi er gegangen ist.

    Ich weiß nicht, ob piqd eine echte Lösung ist. mojoreads kann es für den Buchmarkt jedenfalls sein und es wäre natürlich wirklich gut für die Frustminderung, wenn alle Klugen einstweilen mal bei uns mit anschieben würden.
    Du bist jedenfalls schon mal gut für die Frustminderung.

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