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#ViewFromSomewhere #MovementJournalism
Irgendwie, irgendwann hat man sich im Journalismus mal darauf geeinigt, dass Journalismus und Aktivismus nicht zusammengehen kann. So richtig gut begründet wird das häufig nicht. Meistens muss man sich mit einem Verweis auf einen Spruch von Rudolf Augstein oder von Hanns Joachim Friedrichs zufriedengeben.
Aber unabhängig davon, ob es auch anders sein könnte – #Keller-Greenwald-Debate #movementjournalism #Muckraker –, gerade ist es nun einmal so, dass es für Journalist:innen eine Ehrverletzung ist, als Aktivist:in bezeichnet zu werden. Der Vorwurf hängt auf der Beledigungsskala so zwischen „Haltungsjournalismus” und „Propaganda”.
Aber nicht alle Journalist:innen sind gleichermaßen gefährdet. Wer sich auf die Klimakrise spezialisiert hat, gerät leichter in Verdacht.
Letzte Woche ärgerte sich der ZDF-Journalist Dirk Steffens darüber:
Ich ärgere mich ein bisschen, weil ich in Talkshows immer als Journalist und Umweltaktivist vorgestellt werde. Das ist totaler Quatsch. Das ist ungefähr so, als wenn Sie eine Politikjournalistin als Demokratieaktivistin ankündigen. – Journalist.de
Heute schreibt Sara Schurmann in ihrem offenen Brief an die Branche:
Viele Journalist:innen betonen zu Recht, den Unterschied von Aktivismus und Journalismus. Aber die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels als vierte Gewalt zu kontrollieren, ist kein Aktivismus. Es ist wissenschaftlich, menschlich und journalistisch geboten. Wir Journalist:innen können das Versagen der Politik nicht einfach nur protokollieren. Politische und wirtschaftliche Entscheidungen, die zur Nicht-Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels führen, sind nicht bloß eine Seite einer Geschichte, die wir zu Wort kommen lassen müssen. — übermedien.de
Mitunterzeichnerin Teresa Bücker dazu:
Vielleicht sollte man mal anfangen, gewisse Menschen als „Aktivist für Geschlechterdiskriminierurg“, „Aktivist für Umweltzerstörung“, „Aktivist für Menschenrechtsverletzung“ etc. zu betiteln – Twitter
Und Bernd Ulrich:
Der am weitesten verbreitete Aktivismus unter Journalisten ist wohl die Parteinahme für eine Normalität, die es nicht mehr gibt, also der #Normalismus als Ideologie. Womit dann eine begrenzte Wahrnehmung und verfälschende Gewichtung von Realität einher geht – Twitter
Um besser zu verstehen, wann ein:e Journalist:in als Aktivist:in oder eben nicht gelabelt wird, hilft mir immer das Model der Hallin-Sphären.
Nach diesem Modell teilen Redaktionen die Welt in drei Sphären ein: Die Sphäre des Konsenses, die Sphäre der legitimen Kontroverse und die Sphäre der Devianz.
In der Sphäre der Konsens wird die grundsätzliche Affirmation einer Idee gar nicht als solche wahrgenommen und behandelt. Zum Beispiel für eine geringe Arbeitslosigkeitsquote, für die Pressefreiheit, gegen Krieg und int. Spannungen, gegen Hunger und Kinderarmut, für hohe Verkaufszahlen im Weihnachtsgeschäft des Einzelhandels oder eben für die Demokratie.
In der Sphäre der legitimen Kontroverse ist es anders. Hier können Themen nicht ohne Fragezeichen behandelt werden. Tut man es doch, kann das leicht zum Aktivismus-Vorwurf führen. In dieser Sphäre sprechen viele Redaktionen selbst nur im Kommentar und lassen ansonsten Protagonisten von "beiden Seiten" einspringen.
In der Sphäre der Devianz findet sich der diskursive Sondermüll. Thesen, die so abseitig sind, dass sie von dem Marktplatz der Ideen ausgeschlossen werden. In der Sphäre der Devianz finden sich z.B. Rassenlehre, Menschenhandel, die Duell-Kultur oder das Wahlrecht nur für Männer.
Gerade wenn man sich so einiges aus der Sphäre der Devianz betrachtet, merkt man, dass es zu einem früheren Zeitpunkt in der Geschichte mal anders gewesen ist. Einige diese Ideen waren mal in der Sphäre der legitimen Kontroverse oder einige sogar in der Sphäre des Konsenses.
Und genau um diesen Sphären-Shift (sagt das dreimal schnell hintereinander 😛) geht es auch in der aktuellen Debatte. Die Klimakrise muss endlich aus der Sphäre der legitimen Kontroverse in die Sphäre des Konsenses aufsteigen.
Sehr kontraproduktiv dabei ist, dass Nachrichtenredaktionen es nicht so sehen, wie Daniel Hallin es mit seinen Sphären beschreibt. Die Auswahl und Darstellung von Nachrichten wird so wenig reflektiert, dass es gruselig ist (Mein Piq zum Thema). Deswegen piqe ich hier einen Text von Ezra Klein. Als Chefredakteur von vox.com ist er ja auch ein Nachrichtenmacher. Als Insider hat er noch die besten Chancen angehört zu werden.
Quelle: Ezra Klein Bild: pexels.com @kopri... EN www.vox.com
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Ist das jeweils Journalismus oder Aktivismus?
https://www.piqd.de/su...
https://www.piqd.de/kl...
https://www.piqd.de/kl...
Hier noch ein aktuelles Interview, in dem eine Umweltjournalistin über den Aktivismus-Vorwurf spricht:
"Es gehört aber auch zur Wahrheit, dass der Umweltjournalismus hierzulande nicht allzu oft seine Zähne zeigt. Wir sind manchmal zu defensiv, zu harmoniesüchtig. Es fehlt die Konfliktfreude. Vielleicht haben die KollegInnen Angst, dass man ihnen Aktivismus vorwirft, vielleicht fehlt ihnen oft die Zeit, sicherlich fehlen ihnen sehr oft die Mittel und der Rückhalt der Redaktion. Investigative UmweltjournalistInnen in Deutschland kann man an einer Hand abzählen."
https://www.journalist...
Wenn ich den IPCC richtig verstanden habe, ist das 1,5% Ziel beim Klima gar nicht mehr einzuhalten. Worin soll nun der Konsens bestehen. Es kann doch nicht die Aufgabe von Journalisten sein irrational Ziele zu kontrollieren?
„Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache – auch nicht mit einer guten Sache.“ Dieser Satz von Hanns Joachim Friedrichs ist immer noch richtig.