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Pop und Kultur

77 Jahre Musik für die einsame Insel: "Desert Island Discs" ist die Radiosendung für die Krise

Sonja Wild
Redakteurin, Spielebloggerin

Hat englische und deutsche Literaturwissenschaft sowie Politik in Erlangen studiert. Schreibt auf lostlevels.de über Indie-Spiele und arbeitet in der Redaktion des Bookazines WASD mit. Lebt, spielt und arbeitet in Berlin.

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Sonja WildSonntag, 22.03.2020

Die BBC-4-Radiosendung Desert Island Discs ist ein Phänomen: Mit bis dato unglaublichen 77 Jahren Laufzeit ist sie vermutlich eine der am längsten ausgestrahlten Radiosendungen der Welt, 2019 wurde sie zur „best radio show of all time“ gewählt, und die Frage, wer sie als nächstes moderieren darf, sorgt im Vereinigten Königreich regelmäßig für Diskussionen. Die Sendung hat ein verblüffend simples Konzept mit großer Wirkung: Ein prominenter Gast stellt acht Musiktitel vor, die er oder sie auf eine einsame Insel mitnehmen würde, außerdem ein Buch (die Bibel und Shakespeares Gesamtwerk werden als gesetzt angenommen) und einen Luxusartikel. Anhand der Auswahl entspinnt sich dann ein biografisches Gespräch, das eigentlich immer faszinierende Einblicke in das Leben und die Persönlichkeit des Gastes gewährt, von Keith Richards bis Kylie Minogue, von David Beckham bis Dustin Hoffman und von Marlene Dietrich bis Liberace. Ernste und komische Momente halten sich dabei auf wohltuende Weise die Waage.

Im verlinkten Beitrag aus dem New Yorker schreibt Hua Hsu über seine Begeisterung für das Format und knüpft dabei auch geschickt an die derzeitige Ausnahmesituation an. In dieser Zeit, in der für viele die Wohnung zur einsamen Insel geworden ist, scheint das Gedankenkonstrukt, das den Desert Island Discs zugrunde liegt, schließlich gar nicht mehr so weit hergeholt – auch wenn wir heute, Internet sei Dank, nicht mehr streng auswählen müssen, welche Musik uns in der Isolation begleitet. Im Gegenteil, wir genießen den Luxus, dass wir uns zum Beispiel auf der Website von BBC 4 mehr als 2.000 Episoden der Desert Island Discs kostenlos anhören können, von ihren Anfängen bis heute.

Man muss aber noch nicht einmal die hypothetische einsame Insel bemühen, um Parallelen zu unserer Situation zu finden, wenn man sich in Erinnerung ruft, wann das Programm zum ersten Mal ausgestrahlt wurde: Mitten im Zweiten Weltkrieg nämlich, genauer 1942 – und das war kein Zufall.

„When “Desert Island Discs” first aired, it was part of the BBC’s broader effort to make life during wartime slightly more bearable. It was a way to insure that not every waking second of life was lost to worry. The conversation was scripted and polite, and one imagines that guests were encouraged to offer selections that would make listeners feel optimistic or proud. In those days, there was only so much recorded music in existence. It wasn’t yet everywhere, soundtracking every moment of life, love, and loss. So, meaning was quite literal, and choices tended toward an easy romanticism.“

Desert Island Discs war – und ist – zu jeder Zeit hörenswert. Ihre große Relevanz beweist die Sendung aber vielleicht erst in Krisenzeiten so richtig.

77 Jahre Musik für die einsame Insel: "Desert Island Discs" ist die Radiosendung für die Krise

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