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Pop und Kultur

Adventszeit ist Game-Empfehlungs-Zeit. Nr. 1: Immortality

Christian Huberts
mächtiger™ Kulturwissenschaftler und Kulturjournalist
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Christian HubertsDonnerstag, 01.12.2022

What a year, huh? Zu einer noch nicht verklungenen Pandemie ist auch noch ein Angriffskrieg mitten in Europa dazugekommen, die Klimakrise schreitet weitgehend ungebremst voran und Gesellschaften weltweit scheinen insgesamt eher »on edge«. Persönlich fällt es mir da nicht so leicht, Angebote zum Eskapismus zu machen. Andererseits merke ich, wenn ich mich nicht ab und zu zum Entspannen und spielerischen Reflektieren zwinge, bleibt langfristig auch keine Kraft mehr für die Problemlösung. Daher soll es auch in dieser Adventszeit wieder vier Vorschläge für Games geben, die zugänglich sind, die Zeit der Spielenden respektieren, smarte Perspektiven auf die Welt anbieten und nicht zwingend auf High-End-Hardware angewiesen sind.

1. Advent: Immortality (PC, Mac, Xbox Series S/X, iOS, Android)

Mit der Etablierung der CD-ROM in den 1990ern entstand ein Spielgenre, das sich sehr schnell als sehr schlechte Idee entpuppte. Full-Motion-Video-Adventures fielen vor allem durch peinliches Laienschauspiel und trashige B-Movie-Ausstattung auf, aber nicht gerade durch spielerische Qualität. Rund dreißig Jahre später feiert das Genre aber ein überraschendes Revival. Unter anderem verantwortlich dafür ist der Game-Designer/Regisseur Sam Barlow, der mit Spielen wie Her Story (2015) und Telling Lies (2019) einen anderen Zugang zu Film als Spielelement gefunden hat. Statt sich mehr oder weniger linear durch eine Filmhandlung zu klicken, bekommen die Spielenden bei Barlow einfach eine Datenbank aus Filmszenen vor die Füße geworfen, aus der sie sich dann selbst einen Reim machen dürfen. Ist Her Story eher noch als Proof of Concept zu verstehen, bietet Telling Lies bereits ambitioniertes Handwerk mit Hollywood-Schauspieler*innen, das sich aber kaum aus gewohnten Genre-Tropen herauswagt. Mit seinem aktuellen Projekt Immortality (2022) hat Sam Barlow aber nun endlich die Schwelle von handwerklicher Qualität zu künstlerischer Vision überschritten. Im Spiel ergründen die Spielenden das geheimnisvolle Verschwinden der fiktiven Schauspielerin Marissa Marcel, die in nur drei, allesamt unveröffentlichten Filmen mitgespielt hat – die Buchadaption Ambrosio (1968), der Detektivfilm Minsky (1970) und der Thriller Two of Everything (1999). Durch Sprünge per »Match-Cut« – klickt man auf ein Kreuz an der Wand landet man in einer anderen Szene mit einem Kreuz – werden Stück für Stück neue Szenen aus allen drei Filmen aufgedeckt, aber auch Aufnahmen aus den Proben, Making-ofs und Interviews. So entspinnt sich über den Spielverlauf nicht nur die Handlung der fiktiven Werke, sondern ebenso eine komplexe Auseinandersetzung mit dem Sexismus von Hollywood, dem Verhältnis von Künstler*in und Werk, Machtmissbrauch sowie der Frage nach Wegen zur (künstlerischen) Unsterblichkeit. Dabei hat Immortality einige Überraschungen zu bieten und alle Handlungsebenen sind gekonnt miteinander verbunden, ohne das sich am Ende eine einfache Antwort finden ließe. Gute Nachrichten gibt es außerdem für alle Netflix-Kund*innen: Immortality ist kostenlos im Abo für iOS und Android enthalten. Warum Netflix ihren wachsenden Katalog an Games nicht besser kommunizieren, bleibt ein ebenso großes Geheimnis wie das spurlose Verschwinden von Marissa Marcel.

Alle Empfehlungen:

1. Advent: Immortality

2. Advent: Dwarf Fortress

3. Advent: Pentiment

4. Advent: Little Inferno

Adventszeit ist Game-Empfehlungs-Zeit. Nr. 1: Immortality

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