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Technologie und Gesellschaft

"Der Überwachungskapitalismus lässt die Menschen des 21. Jahrhunderts in ihren Ketten tanzen."

Jörn Klare
Neugier und Misstrauen
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Jörn KlareFreitag, 09.11.2018

Mirjam Hauck interviewt die emeritierte Harvard Professorin Shoshana Zuboff in einem sehr aufschlussreichen Gespräch zu ihrem Buch „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“.

Der Überwachungskapitalismus geht davon aus, dass die private menschliche Erfahrung frei zugängliches Rohmaterial ist.

Zuboff sieht in der wachsenden Macht der großen datensammelnden Internetkonzerne eine immense Gefahr für Demokratie und Wirtschaftsordnung. Der Überwachungskapitalismus, den sie als eine Mutation des modernen Kapitalismus begreift, betrachtet menschliche Erfahrungen dabei als Rohmaterial, aus dem mit Hilfe digitaler Technologien und „Strategien heimlicher Überwachung“ Verhaltensdaten gewonnen werden, aus denen wiederum Prognosen über unser zukünftiges Verhalten, Zuboff spricht von „Vorhersageprodukten“, generiert und schließlich verkauft werden.

Die Produkte, die durch die Überwachung entstehen, werden zunehmend lukrativer als traditionelle Produkte und Dienstleistungen. Unternehmen aus allen Bereichen konkurrieren um unsere Verhaltensdaten, damit sie Vorhersagen darüber treffen können, was, wann und wie wir handeln, fühlen, wollen und kaufen werden.

Wir selbst sind in dabei nicht das Produkt, sondern die Quelle für Produkte, „die den Interessen derer dienen, die von unserem zukünftigen Verhalten profitieren.“ Unsere vermeintliche Abhängigkeit von den digitalen Produkten und Dienstleistungen beschreibt sie dabei als einen „faustischen Pakt“, der unsere Psyche betäubt.

Darauf reagieren wir dann wiederum mit resigniertem Zynismus oder Abwehrmechanismen und sagen zum Beispiel: "Ich habe nichts zu verbergen." Der Überwachungskapitalismus lässt die Menschen des 21. Jahrhunderts in ihren Ketten tanzen.

Und:

Die einzige Möglichkeit ist, die spezifischen Mechanismen des Überwachungskapitalismus, die diese Datenkonzentrationen produzieren, zu unterbrechen oder auch zu verbieten. Das wären Eingriffe, die weit über das heutige Kartellrecht hinausgehen.

Sehr lesenswert!

"Der Überwachungskapitalismus lässt die Menschen des 21. Jahrhunderts in ihren Ketten tanzen."

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Kommentare 9
  1. Moritz Orendt
    Moritz Orendt · vor 6 Jahren

    Ich finde das Interview interessant, aber an einigen Stellen ist es aus meiner Sicht sehr wolkig. Was meint Zuboff mit "Die Produkte, die durch die Überwachung entstehen, werden zunehmend lukrativer als traditionelle Produkte und Dienstleistungen."?
    So wie ich die Datenkapitalisten verstehe, gibt es bisher genau zwei Geschäftsmodelle, die aus Daten entstehen: 1. personalisierte Anzeigen 2. sehr genaue Marktforschung
    Das, was Zuboff mit Rohmaterial für zukünftige Produkte bezeichnet, ist doch einfach sehr präzise Marktforschung, oder?

    1. Jörn Klare
      Jörn Klare · vor 6 Jahren

      Ja, die Frage wäre dann, wann sich dieses Geschäftsmodell tatsächlich als eine große Blase erweist. Tatsache ist ja, dass die „digitalen Konzerne“ in der Regel weitaus höhere Gewinne machen, als herkömmliche Produzenten. Interessant sind dabei beispielsweise auch die Bemühungen der deutschen Automobilkonzerne um das Geschäft mit dem autonomen Fahren, das sehr stark von den Möglichkeiten der Datengewinnung getrieben ist.

    2. Moritz Orendt
      Moritz Orendt · vor 6 Jahren

      @Jörn Klare Ich glaube nicht, dass sich dieses Geschäftsmodell als Blase erweist. Google, Facebook machen mit Werbung super Geschäft und das wird auch so bleiben, vermute ich, weil personalisierte Werbung und besser wirkt als die Flächenstreuung.
      Generell liegen die hohen Bewertungen und Gewinne der Digitalfirmen nicht immer nur an den Daten, sondern (auch) an der unendlichen Skalierbarkeit von Software.

    3. Moritz Orendt
      Moritz Orendt · vor 6 Jahren

      @Jörn Klare Super Beispiel mit dem autonomen Fahren. Danke. Hier werden ja tatsächlich aus Daten mehr Möglichkeiten. Aber hier denke ich mir: Bitte macht das doch!

    4. Jörn Klare
      Jörn Klare · vor 6 Jahren

      @Moritz Orendt Nicht nur mehr Möglichkeiten. Das hängt davon ab, wie man zu dieser Datensammelfreude steht. Dazu habe ich auf diesem Kanal z.B. auch am 19.10. einen Artikel verlinkt.

  2. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 6 Jahren

    Immer diese Angst vor der Zukunft .......

    1. Jörn Klare
      Jörn Klare · vor 6 Jahren

      Nein, nicht „immer“.

  3. Florian Kohrt
    Florian Kohrt · vor 6 Jahren

    Schon etwas älter, aber ebenfalls lesenswert: FAZ-Artikel „Schürfrechte am Leben“ von Shoshana Zuboff
    http://www.faz.net/akt...

  4. Torsten Schubert
    Torsten Schubert · vor 6 Jahren

    Der Überwachungskapitalismus lässt die Frage aufkommen: Leben wir noch in einer Demokratie oder sind wir längst in der Postdemokratie angekommen? Sicher ist, wir müssen als Gesellschaft handeln, denn die Manipulationen, denen wir schon heute ausgesetzt sind, lassen uns immer deutlicher spüren, dass wir kaum noch wissen, wer wir eigentlich sind.

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