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Technologie und Gesellschaft

Warum wir aufhören sollten, viralen Videos zu trauen

Christian Huberts
mächtiger™ Kulturwissenschaftler und Kulturjournalist
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Christian HubertsMittwoch, 23.01.2019

Im Grunde genügt ein Einführungsseminar in Filmtheorie, um zu verstehen: Was wir in einer Filmaufnahme wahrnehmen und was nicht, hängt maßgeblich davon ab, welcher Kamerawinkel, welcher Zeitabschnitt und welche Abfolge von Sequenzen gewählt wurde. Es braucht nicht notwendigerweise von Algorithmen synthetisierte »deepfakes«, um neue Realitäten zu schaffen. Ein Smartphone und ein wenig Montage genügen. So kann bewusst oder unbewusst ein einzelner Blickwinkel als vermeintliche Wahrheit viral gehen.

Offensichtlich wurde dieses Phänomen zuletzt bei einem Video aus den USA, das mutmaßlich zeigt, wie Schüler einer katholischen Schule einen Native American schikanieren. Oder auch bei einem Video der polizeilichen Räumung eines Obdachlosencamps in Berlin, das für viel Empörung gesorgt hat. In beiden Fällen wurde erst später der größere Kontext sichtbar und relativierte zumindest in Teilen die vermeintlich dokumentierte Wahrheit. Doch auch mit längeren Videos und neuen Blickwinkeln mag sich kein verbindliches Bild der Ereignisse einstellen.

Videos, so die Kernaussage des hier gepiqten Artikels von Ian Bogost im Atlantic, sind also schlicht nicht besonders geeignet dafür, die Wahrheit einzufangen. Dafür bedient er sich lesenswert der Filmtheorie unter den Bedingungen allseits verfügbarer Video- und Distributionstechnologie. Aus dem verfügbaren Rohmaterial editiert jeder die Geschichte, die er darin gerne sehen möchte.

Video can capture narratives that people take as truths, offering evidence that feels incontrovertible. But the fact that those visceral certainties can so easily be called into question offers a good reason to trust video less, rather than more. Good answers just don’t come this fast and this easily.
Warum wir aufhören sollten, viralen Videos zu trauen

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Kommentare 4
  1. Roman Mahr
    Roman Mahr · vor fast 6 Jahre

    Das Thema lässt mich nicht los und die Amerikaner scheint's auch nicht:

    https://medium.com/s/s...

    Der Fall selbst ist auch nur Aufhänger/Auslöser für eine Diskussion, die wir auch hier in Deutschland führen, tja was nun?; Punkt, 'könnten', 'sollten', 'dürfen'.

    Und sicherlich auch einen (weiteren) eigenständigen Piq wert.

    "The confusion is the point."

    1. Christian Huberts
      Christian Huberts · vor fast 6 Jahre

      Vielen Dank für die weiterführenden Kommentare!

      Hier ist noch ein lesenswerter Text zum Thema: http://www.publicsemin...

      »I think the most underreported story about #CovingtonBoys is how it got to us in the first place. It originated with a piece of clickbait that was chosen and edited, by persons unknown, to produce outrage on the right and the left. Originating in a fake account, and proliferated by other fake accounts, it was part of a professional social media campaign intended to disrupt. No one seems to know yet who filmed and edited the first, one-minute video, or who is behind the fake accounts«

  2. Roman Mahr
    Roman Mahr · vor fast 6 Jahre

    Ergänzend zu diesem Beitrag gab es gestern im selben Medium einen Longread von Caitlin Flanagan: https://www.theatlanti....
    Um damit den Kommentar vor mir aufzugreifen: Nicht nur wir als Leser dürfen uns fragen, ob wir unseren rezipierten Medien trauen dürfen, auch diese Medien müssen sich das fragen und sich selbst fragen, in wie weit sie sich ihrer politische Verantwortung bewusst sind und sie wie (transparent) nutzen.
    BTW: der Beitrag von Caitlin Flanagan ist noch länger ;)

  3. Frederik Fischer
    Frederik Fischer · vor fast 6 Jahre

    Hab den Text ehrlicherweise noch nicht gelesen, aber mit der Argumentation im piq, dürfte man keiner Mediengattung mehr vertrauen. In allen wird mit Auslassungen gearbeitet und Aufmerksamkeit gelenkt.

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