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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
In einem tiefgründigen Nachruf bringt Andreas Breitenstein uns den großen Erzähler und Essayisten Dževad Karahasan nah, der viel zu früh mit 70 Jahren an einer Krebserkrankung starb.
Vor allem das bosnische Sarajevo gestaltete er so, dass es zu einer Metapher für die Welt erschien:
Wie nur wenige Gegenwartsautoren vermochte Karahasan Mythos und Aufklärung, Mystik und Rationalität zusammen zu denken. Orient und Okzident waren ihm kein absoluter, sondern ein dynamischer Gegensatz, aus dessen Reibung er seine poetischen Funken, intellektuellen Einfälle und formalen Ideen schlug. Unverdrossen optimistisch betätigte er sich in der Kunst des Brückenbauens. Die ethnische und religiöse Disparatheit Bosniens, die der jugoslawische Literaturnobelpreisträger Ivo Andrić als Verhängnis sah, begriff er unverdrossen als Chance.
Hier erinnert sich der Kriegsreporter Erich Rathfelder an die Flucht von Dževad Karahasan, ein dramatischer Einschnitt, der oft einen Charakter enthüllt.
Hier findet man seine Bücher auf der Verlagswebseite von Suhrkamp.
Vor einigen Jahren, 2017, traf ich den großen Intellektuellen und befragte ihn für die NZZ nicht allein über Jugoslawien, sondern über gesellschaftliche Utopien von Thomas Morus bis heute, um seine geistige Spannbreite kenntlich zu machen. Es ist übrigens der erste Beitrag von Dževad Karahasan, der auf piqd erscheint, und so eine Lücke schließt. Wer heute von Geschichte und Geschichten spricht, sollte von Dževad Karahasan nicht schweigen, der ein würdiger Nobelpreisträger gewesen wäre.
Hier geht es zum Gespräch, das so endet:
Einen verfremdenden Blick haben auch literarische Antiutopien wie Orwells Roman «1984». In welchem Verhältnis stehen sie zu Utopien?
Bis zur Moderne gab es keine Antiutopien. Es gab naive und literarische Utopien, das Schlaraffenland als Traum eines ermüdeten Bauern von einem Land, wo man, ohne zu arbeiten, gut und viel essen kann, oder etwa die Schäferidyllen von Theokrites. Antiutopien entstanden erst, als man versuchte, Utopien zu verwirklichen. Eine der massgeblichen Dystopien ist Samjatins «Wir», geschrieben in den ersten Jahren nach der Oktoberrevolution. So wunderbar eine Utopie auch sein mag, sie reduziert die ungeheure Komplexität des Lebens auf wenige Dimensionen.
In seinem Frühwerk schrieb der Ungar Georg Luk ́acs: «Jeder Versuch, das Utopische als seiend zu gestalten, endet nur formzerstörend.» Wenige Jahre später engagierte er sich selber als Kommunist bei solchen Versuchen.
Ironisch gesagt: Es ist ihm nicht gelungen, einen guten Roman zu schreiben, also versuchte er, die Welt zu reorganisieren. Jeder Versuch, eine Utopie zu verwirklichen, führt notwendigerweise zu Selektionen. Das ist das Verdammte an Revolutionen. Nehmen Sie Robespierres Religion der Vernunft. Ist das nicht eine Contradictio in adiecto? Religion setzt voraus, dass man etwas nicht verstehen kann. Für einen Fundamentalisten darf es in seinem Glauben nichts Unverständliches mehr geben – alles, was er nicht versteht, soll weg.
Aber Fundamentalisten wie Revolutionäre, oft in einer Person vereint, betreten erst die Bühne, wenn alte Ordnungen sich auflösen. Die einen wollen den Verfall aufhalten, die anderen die Geburt des Neuen beschleunigen. In welcher Situation stehen wir heute?
Fundamentalismen und Utopien haben wir in unseren Tagen zur Genüge. Für mich ist entscheidend, dass der einzige Zweck des Lebens das Leben selber ist. Vernunft ist grossartig, aber sie kann nicht alles erklären. Was man nicht verstanden hat, daran kann man glauben. Wenn man es verstanden hat, ist es kein Glaube mehr. Wenn – Gott behüte! – unsere Kultur stirbt, lassen wir sie sterben mit Hochachtung und in der Gewissheit, dass aus ihrem Leichnam wieder etwas Grossartiges entstehen wird. Der Tod des einen ist die Geburt desanderen. Was uns heute fehlt, ist Zuversicht. Freuen wir uns über das Verständliche und das Unverständliche in der Welt und in unserem Leben.
Quelle: Andreas Breitenstein, Dževad Karahasan, Achim Engelberg, Erich Rathfelder Bild: suhrkamp www.nzz.ch
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