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Literatur

Bücherbox – Das Licht – Unterhaltung ohne Nachhall

Bücherbox – Das Licht – Unterhaltung ohne Nachhall

Anne Hahn
Autorin und Subkulturforscherin
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Anne HahnDienstag, 14.12.2021

Ihre Reaktion war, gelinde gesagt, moderat. Innerhalb einer Stunde begann sie, überall leuchtende Farben zu sehen, Farben von einer Intensität, die sie sich nicht hatte träumen lassen, und alle Oberflächen begannen zu flirren, als würden sie von einem Teich gespiegelt, über den der Wind strich, aber das war angenehm, sehr angenehm und außerdem unvergleichlich schön.

Eine junge Laborantin der Sandoz-Arzneimittelwerke in Basel nimmt im Frühjahr 1943 zum ersten Mal LSD. So wird erst später heißen, was ihr Chef, der Schweizer Chemiker Albert Hofmann aus dem Getreidepilz Mutterkorn extrahiert. Mit diesem ersten Kapitel, welches aus Sicht der Laborantin geschrieben ist, eröffnet T. C. Boyle seinen Roman Das Licht und dessen Thema – psychedelische Substanzen. Nach 40 Seiten ist die Geschichte des "Bicycle-Days" erzählt, die Laborantin Susi Ramstein in die Ehe entlassen und wir springen in das Jahr 1962, nach Cambridge, USA, in das Universitätsreich Timothy (Tim) Learys.

Das Psilocybin-Projekt war eines der Langzeitobjekte des Zentrums für Persönlichkeitsforschung. Tim hatte es kurz nach seiner Rückkehr aus Mexiko vor zwei Jahren begonnen und in dieser Zeit mit Dick Alpert Daten von mehr als vierhundert Versuchspersonen gesammelt, nicht nur von Studenten und Dozenten, sondern auch von Dichtern, Intellektuellen und Musikern wie Allen Ginsberg, Aldous Huxley...

Ich fand das Buch vor einem Hauseingang, fasziniert vom farbspektralflimmernden Cover des im letzten Jahr erschienenen Taschenbuches. T. C. Boyle habe ich in den Neunzigern viel gelesen, zuletzt América, das mir thematisch sehr nahe ging (zeitgleich zog ich mit meiner kleinen Familie in eine Wohngenossenschaft in Berlin-Mitte und hegte Zweifel, ob eine Gemeinschaft mit selbstgeschaffenen Regeln, Ein- und Ausgrenzungen das Richtige für uns sei. Ist es; man kann sie weitgehend mitgestalten).

Und er hatte das Concord-Prison-Experiment durchgeführt, bei dem er mit seinen Mitarbeitern Gefängnisinsassen Psilocybin verabreicht hatte, um sie umzuprägen und die Rückfallquote zu senken. Es war ein radikaler Ansatz und hatte sich – jedenfalls nach Auskunft des Wachpersonals und der Häftlinge durchaus gelohnt ...

Der ungemein produktive und selbst den Drogen zugeneigte Autor beschreibt auf 379 Seiten, wie sich eine Gruppe von Studenten und Dozenten um Tim schart, mit ihm regelmäßig Sessions veranstaltet, LSD konsumiert und wie nach zwei sommerlichen Mexiko-Abstechern die ganze Truppe schließlich ein Haus in Millbrook (Bundesstaat New York) bezieht. Erzählt wird aus der Sicht des Langzeitstudenten Fitz und seiner Frau Joanie, beide geben sich dem Sog und Reiz des Psilocybin und der freien Liebe innerhalb der Gruppe hin, bis Joanie die Nase voll hat und das in Schulden und Polizeiüberwachung versinkende Haus mit dem gemeinsamen, halbwüchsigen Sohn verlässt. Und warum das alles?

Das Gelächter erstarb nach und nach, jeder sah nach innen und tauchte in sich ein. Es war, als würde man immer tiefer hinuntergedrückt, und alles, woran Fitz denken konnte – alles, was er sah –, war der Grund des Sees, in den er in seiner Kindheit vom Sprungbrett gesprungen war ... doch jetzt war da unten nicht Schlamm, sondern eine glitzernde, goldene Stadt ...

Während die FAZ den 17. Roman T. C. Boyles als wieder mal geglückt feiert, schließe ich mich der Kritik Christoph Schröders im DLF an. Keine/r der Kommunard*innen (Vorsicht Spoiler!) sieht das Licht – ihr freizügiger Umgang mit Eigentum und Sexualität führt alle an die Grenzen des Tolerierbaren und das Geld ist futsch. Unterhaltsam, aber wenig nachhallend. Das wird es wohl wieder gewesen sein mit T. C. Boyle und mir. Christoph Schröder schreibt:

„Das Licht“ ist ein brav chronologisch erzählter, auch sprachlich ungemein konventionell gehaltener Roman. Für die Rauschzustände, die Entgrenzungsfantasien, die Horrortrips und Extremausschläge der Droge findet Boyle eine angesichts seiner Versiertheit erstaunlich matte, leblose und assoziationsarme Sprache. Miró und Picasso als Gewährsmänner für die Auflösung von Formen anzuführen, ist nun auch nicht eben ein sonderlich origineller Einfall.

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Kommentare 2
  1. SABINE SCHOLL
    SABINE SCHOLL · vor fast 3 Jahre

    Liebe Anne, wir haben ähnliche Lesevorlieben. Am 19.5.21 habe ich, ebenfalls angeregt von dem wahnsinnigen Cover, über "Das Licht" geschrieben. Schöne Grüsse, Sabine

    1. Anne Hahn
      Anne Hahn · vor fast 3 Jahre · bearbeitet vor fast 3 Jahre

      Stimmt, das Cover hatte bei mir auch etwas geflackert - lustig! Du beschreibst die Drogen-Rezeption sehr schön in Deinem Text: https://www.piqd.de/li... , ich komme eher zu einer Ablehnung der Leseempfehlung, weil mich "das Licht" nicht begeistern konnte, liebe Sabine. Vielleicht sollten wir mal Bücher nach der irritierendsten Covergestaltung auswählen, was meinst Du? liebe grüße, anne

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