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Friederike Knüpling lebt in San Francisco und forscht an der Stanford University über ökonomisch vermittelte Selbst- und Sozialbilder in der deutschsprachigen Literatur. Zuletzt erschienen von ihr die Bücher „Kleist revisited“ (2014, hrsg. mit Hans Ulrich Gumbrecht) und „Tussikratie“ (2014, mit Theresa Bäuerlein).
Im Geschichtsunterricht, erinnere ich mich, wurde uns die „sexuelle Revolution“ der 60er und 70er als Revolte gegen eine damals sehr enge Sexualmoral erklärt. Erst später erfuhr ich, dass es durchaus auch Ansätze gab, die das Wort „Revolution“ in „sexuelle Revolution“ betonten: Pazifisten, die „Make Love Not War“ ernst meinten und den Militärdienst verweigerten, Feminismen, deren Kampf gegen sexuelle Unterdrückung umfassende Systemkritik bedeutete, freudomarxistische Gruppen, die den Körper aus der Arbeit befreien und als Lustinstrument fassen wollten.
Einen schönen Einblick in diese Zeiten bietet „The Substance“, ein Dokumentarfilm über die Geschichte von LSD, die sich allerdings mit der Sexpolitik von `67 stellenweise eng berührt. Seit Albert Hofmann die halluzinogene Säure 1938 erstmals chemisch hergestellt hatte, waren an LSD schließlich nicht nur militärische und psychiatrische Institutionen interessiert, sondern auch die Counterculture entdeckte das gesellschaftsverändernde Potential von LSD (was sie beispielsweise dazu bewegte, zahllose Acid-Schnipsel an US-Soldaten in Vietnam zu schicken). Die Verbindung zwischen Bewusstseinserweiterung und sexueller Libertinage kommt vor allem in der zweiten Hälfte des Filmes zur Sprache.
Heute klingen diese Experimente wie Echos aus weit entfernter Vergangenheit. Die sexuelle Revolution kam schließlich vor allem im Bett. Das System dagegen, von dem man sich in der Liebe hatte abwenden wollen, kannte längst Wege, sich auch sexuelle Vielfalt zunutze zu machen. Biopolitik, repressive Entsublimierung. Während uns also Sex heutzutage empfohlen wird, weil man dabei super Kalorien verbrennen/entspannen/Energie für den Pitch am nächsten Tag tanken kann (während draußen, kurz gesagt, die Welt brennt), und weil sowieso die kinderlosen Frauen bitte endlich ... (jedenfalls die hellhäutigen) – in solchen Zeiten also tut die Erinnerung daran, dass Sex auch eine Praxis sein könnte, die eine ganze Gegenwelt heraufbeschwört, wirklich gut.
Quelle: Cannabis infos Ch. Bild: QuentinUK [CC BY-... dailymotion.com
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