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Europa

Orbáns homophobe Verfassungsänderung: Was steckt dahinter?

Keno Verseck
Journalist

geb. 1967 in Rostock, freiberuflicher Journalist mit Schwerpunkt Mittel- und Südosteuropa.

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Keno VerseckSonntag, 15.11.2020

Mitten in der Corona-Krise hat Ungarns Premier Viktor Orbán der Europäischen Union wieder einmal den Kampf angesagt. Diesmal so ernst wie nie zuvor. Er könnte damit eine der schwersten politischen Krisen der EU der vergangenen Jahre auslösen. Seine Regierung droht an, gegen den EU-Haushalt und den Corona-Wiederaufbaufonds ein Veto einzulegen – nach monatelangen, sehr schwierigen Verhandlungen, die in den vergangenen Tagen zum Abschluss kamen. Grund ist der so genannte Rechtsstaatsmechanismus, mit dem die EU-Kommission Mitgliedstaaten finanziell sanktionieren kann, wenn sie gegen rechtsstaatliche Normen verstoßen. Orbán ist – natürlich – gegen diesen Mechanismus, denn mit ihm könnte beispielsweise die häufig höchst korruptionsverdächtige Vergabe von EU-Fördergeldern in Ungarn besser bzw. überhaupt einmal bestraft werden. Während in Brüssel, Berlin und anderswo wegen der Veto-Drohung Alarmstimmung herrscht, legt Orbán dieser Tage noch nach: Seine Regierung missachtet offen Urteile des Europäischen Gerichtshofes (siehe dazu ein Artikel von mir für den SPIEGEL). Sie lässt die Wahlgesetzgebung so ändern, dass Orbáns Partei Fidesz eine noch bessere Ausgangsposition hat. Und seine Regierung will die Verfassung zum neunten Mal in neun Jahren ändern: Diesmal soll Homophobie in ihr verankert werden, und zwar durch den Satz in einem familienbezogenen Artikel: "Die Mutter ist eine Frau, der Vater ist ein Mann." Orbáns Regierung hat sich an Polen ein Beispiel genommen und für sich nun auch Homophobie als ideologische Mobilisierungsmöglichkeit entdeckt. Doch diese Verfassungsänderung, die in Ungarn und im Ausland bereits große Empörung auslöst, ist offenbar auch ein Trick, um die Debatte um weitere geplante Verfassungsänderungen in den Hintergrund treten zu lassen. Bei ihnen geht es um die Absicherung riesiger und völlig intransparenter Übertragungen von staatlichem Vermögen an Orbán-nahe Stiftungen. Das Portal Visegrad Insight hat dazu eine hervorragende Analyse der ungarischen Politologin Edit Zgut, die Orbáns antidemokratische Umgestaltung seit Langem publizistisch analysiert und kommentiert.

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