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Die "Liebe zum Auto" ist heilbar

Ole Wintermann
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Ole WintermannSonntag, 22.10.2023

Der Verkehrssektor ist einer der größten GHG-Emittenten. Egal ob es um den Transport von Waren oder Menschen geht; Maßnahmen zur GHG-Reduzierung im Verkehrssektor beziehen sich in den allermeisten Fällen auf die Antriebswende, ohne eine Verkehrswende ernsthaft ins Auge zu fassen. Dieser Text bei "Yale Climate" beschäftigt sich - mit einem Fokus auf die USA - mit der Frage, warum wir in der Breite verlernt haben, im Bereich der Mobilität in Alternativen zum Auto zu denken.

Die historische Analyse des Aufkommens des Autos in US-Städten zeigt, dass es spielende Kinder und Fußgänger waren, die zuvor die Straßen der Städten geprägt haben. Die Straßen gehörten zum Leben dazu und boten Platz und Freiheit (Anm. meinerseits: Es sei hier ein Blick in alte YT-Videos zu empfehlen, die deutsche Straßen in den 1920ern und 1930ern zeigen und diese Analyse aus den USA stützen). 

Durch das Aufkommen der Autos auf den Straßen erhöhte sich die Zahl der Todesopfer unter denjenigen, die sich zuvor frei auf der Straße bewegen konnten. Die Polizei konzentrierte sich immer mehr auf die Entwicklung und Einhaltung von Verkehrsregeln, in den Schulen lernten Kinder, Angst vor den Autos haben zu sollen (euphemistisch: Verkehrskunde-Unterricht) und Autoingenieure und Zement-Lobbyisten begannen dafür zu werben, den Autos die Straße zu überlassen:

"Car culture was largely forced on an unwilling public by car dealers, manufacturers, automotive clubs, and others who banded together to promote automobile use."

Der Mythos der Unverzichtbarkeit des Autos war geboren worden.

Im Jahre 1922 marschierten auf einer Kinderparade gegen die sich anbahnende Herrschaft des Autos auf den Straßen 10.000 Kinder, von denen jedes 10. Kinder als symbolisches Mitglied der "Memorial Division" - sinnbildlich für die Zahl der im Autoverkehr getöteten Kinder - gekennzeichnet war. Im Zuge der Parade wurden die verwaisten Mütter als "Weiße Sternenmütter" geehrt.

Die Autorin des Textes plädiert für eine zweite Revolution auf den Straßen der Städte - dieses Mal für das Leben und die Lebensqualität der Einwohner. Den Hebel dafür sieht sie in der Dekonstruktion des Mythos von der Unverzichtbarkeit des Autos. Die "Liebe" ist vielmehr eine in den meisten Fällen so nicht gewollte Abhängigkeit, die sich nach 100 Lobbyismus der Autoindustrie in der Infrastruktur und im Mindest manifestiert hat. Die sozialen, ökonomischen und ökologischen Folgekosten dieser Abhängigkeit sollten wir in der Debatte stärker hervorheben, werden sie doch gern von den AutofahrerInnen verdrängt. So zeigte eine Studie mit 2.000 Probanden, dass der Anteil derer, die nicht bereit sind, den Zigarettenqualm anderer Menschen zu akzeptieren, 12 mal höher liegt als der Anteil der Menschen, die bereit sind, die Autoabgase anderer Autofahrender einzuatmen. Die Forschenden nennen diese Verzerrung der Wahrnehmung "Auto-Normativität".

Durch die Antriebswende werden die grundsätzlichen Probleme der autozentrierten Lebensinfrastruktur nicht gelöst: Herz-Kreislaufkrankheiten durch weniger körperliche Bewegung, 10.000de von Verkehrstoten (allein in den USA), hohe Betriebskosten, teure Auto-Infrastruktur, Ressourcenverschwendung.

Wir sollten Autofahrenden ein Stück weit so begegnen, wie man es aus der Sucht-Therapie kennt, so die ExpertenInnen, um auf diese Weise die Selbsterkenntnis zu fördern, dass man ein Problem haben könnte:

"What’s the first step in handling addiction? It’s admitting you’ve got a problem."

Im nächsten Schritt sollten Betroffene ihren Unmut über die Abhängigkeit an die örtliche Politik richten, damit die Infrastruktur die Befreiung von Sucht unterstützt. Die Bundesstaaten Kalifornien und Oregon werden als positive Beispiele dafür genannt, wie die Verkehrswende infolge der Forderungen von immer mehr BürgerInnen politisch vorangebracht werden kann. Am Ende sollte die Botschaft stehen: Wir wollen mehr zwischen alternativen Mobilitätsformen wählen können.


Die "Liebe zum Auto" ist heilbar

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Kommentare 6
  1. Lutz Müller
    Lutz Müller · vor einem Jahr

    Danke.
    Bzgl. der Studie mit 2.000 Probanden müsste es aber heißen, dass der Anteil derer, die nicht bereit sind, den Zigarettenqualm anderer Menschen zu akzeptieren, 12 mal höher liegt als der Anteil der Menschen, die n i c h t bereit sind, die Autoabgase anderer Autofahrender einzuatmen.

  2. Dennis Schmolk
    Dennis Schmolk · vor einem Jahr

    "What’s the first step in handling addiction? It’s admitting you’ve got a problem."

    Aber die "Betroffenen" haben ja kein Problem, oder wenigstens kein Problembewusstsein. Mehrheitsverhalten kann ziemlich selten wirksam als problematisch vermittelt werden; man stelle Rauchen 1950 und Rauchen 2020 gegenüber: 1950 wäre Rauchen nicht als "problematisch" markierbar gewesen, 2020 schon. Warum? Vor allem: Mehrheiten. Oder man vergleiche Alkohol- und Heroinkonsum.

    Dass Autofahren individuell und kollektiv viel Geld kostet und zudem noch anderweitig schädlich und gefährlich ist, reicht für das Problembewusstsein offenbar nicht. Ich vermute, es muss sich hier erstmal durch andere Faktoren etwas an der Verbreitung des Autofahrens ändern, aber allzu viel Hoffnung habe ich nicht für die kommenden 25-35 Jahre. Jedes Jahr sieht einen neuen Rekord im Quotienten Fahrzeuge/Bevölkerung.

    1. Ole Wintermann
      Ole Wintermann · vor einem Jahr

      Zustimmung. Wir befinden uns beim Auto bzgl. der Umsetzung der Erkenntnisse über dessen Schädlichkeit auf der Höhe der Raucher-Debatte in den 1980ern. Das Spannende dabei sind die beobachtbaren Parallelen: So wie in der Raucher-Debatte der "Freiheit"-Gedanke dem Bewusstsein über die Schädlichkeit langsam weichen musste, können wir dies derzeit auch bei der Auto-Nutzung beobachten. s.a. Hinweis auf den Raucher/Autoabgas-Vergleich im Original-Text. VG

    2. Berthold Kaufmann
      Berthold Kaufmann · vor einem Jahr

      @Ole Wintermann Danke für den Artikel und die Diskussion dazu.

      Leider muss ich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass ich in diesem Forum vor nicht allzu langer Zeit als, Zitat ''olfaktorische Zumutung'' beleidigt wurde, weil ich Radfahren als (eine) naheliegende Lösung des Problems angesprochen hatte.

      Soviel zur Frage, wo stehen wir bezüglich Umsetzung oder auch nur Anerkennung der Erkenntnisse. ..... ich fürchte der Leidensdruck ist noch nicht hoch genug(?)

    3. Ole Wintermann
      Ole Wintermann · vor einem Jahr

      @Berthold Kaufmann @Bertold Kaufmann. Es tut mir leid, dass Sie so dermaßen angegangen worden sind. Ich kann diesen Hass, glaube ich, als fahrradfahrender Nutzer von X gut nachvollziehen. Erst gestern habe ich 700 Hasskommentare auf einen Tweet erhalten, in dem ich kritisiert hatte, dass man ohne Rücksicht auf andere auf dt. BAB 280km/h schnell fahren kann. Welch fragile Charaktere sind dort bloß aktiv, dass der Hinweis auf Radfahren oder Tempolimit einen solchen Hass hervorbringt?

    4. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor einem Jahr

      @Ole Wintermann ...laute, laute Charaktere, aber längst nicht so viele wie es wirkt : - ).
      Umfragen zeigen ja, dass eine Mehrheit für ein tempolimit ist.
      ...
      von Auto entwöhnen - das Thema kam jetzt erst bei MaithiX vor.
      Auch in Deutschland wurde das Auto erst dazu gemacht: zum unverzichtbaren Teil der Stadt.

      Aber das wird sich ändern. Und es wird nicht 25 Jahre dauern, allein durch die nötigen Gesetze wegen der Energiewende.
      die Frage ist daher: wie gewalttätig dieser Wandel abläuft...

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