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Schön bequem, doch ein Problem: Retouren-Wahnsinn im Onlinehandel

Susanne Franzmeyer
Piqer für Radio Features
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Susanne FranzmeyerDonnerstag, 14.01.2021

Die Deutschen sind nicht nur Export- oder Fußballweltmeister – sie liegen auch – gemeinsam mit Österreich und der Schweiz – ganz vorne, was die Rücksendung von Bestellungen im Online-Handel angeht. 280 Millionen Retouren und 490 Millionen Artikel pro Jahr sind es allein in Deutschland, 532 Pakete gehen pro Minute retour. Führende Warengruppe: Mode, Schuhe, Jeans, Blusen. Rechnerisch wird jedes 6. Paket bzw. jeder 8. Artikel zurückgeschickt.

„Sendeminute 16 – Retouren bis jetzt: 8.512“

Immer wieder wird der Hörerschaft zwischendurch die hohe Zahl der Rücksendungen pro Minute in Erinnerung gerufen.

Klar, es ist bequem, einen Haufen Klamotten übers Internet nach Hause zu bestellen und alles kostenfrei wieder zurückzusenden, was nicht passt, nicht gefällt, oder einfach doch nicht gewollt wird. Dass aber hinter der Retour noch ein ganzer Berg an zusätzlicher Arbeit und enormen Kosten liegt, kann man zwar erahnen, und dass diese Kosten wiederum auf den Kunden übertragen werden in Form von erhöhten Kaufpreisen bis zu 7–8 %, in denen die Retourkosten bereits versteckt enthalten sind, kann man sich auch ausrechnen, wenn man mal darüber nachdenkt. Tut man nur meistens nicht. Gedanken machen sich wohl die wenigsten Online-Kunden. Das Feature „Retouren-Glück – Gekauft. Zurück!“ von Ulrich Land und Jörg Marksteiner klärt auf, wie es nach der Rücksendung weitergeht und welche Problematiken sich daraus ergeben.

Beispielsweise beschäftigt allein der Elektronikversand Pearl an seinem Standpunkt in Deutschland 30 Mitarbeiter nur zur Testung der Rücksendungen, die in einer Halle ohne Tageslicht alles von Laptops über Datenträger bis Glühbirnen testen und entweder zum Weiterverkauf aufbereiten oder aussortieren. Täglich muss eine LKW-Ladung mit Retouren ausgeladen, entpackt, getestet, wieder aufbereitet oder entsorgt werden. Es ist ein riesiger Berg an Arbeit, der enorme Kosten verursacht. Die Händler locken mit attraktiven Bedingungen, um auf dem Markt mithalten zu können. Leidtragende sind die ganz unten in der Lieferkette, die prekär beschäftigten Paketboten zum Beispiel. Daher wurde 2019 das Paketboten-Schutz-Gesetz verabschiedet. Danach haften nun Händler auch für ihre Subunternehmer.

Ein anderer Punkt ist die Vernichtung von Waren.

„Das ist kein Gerücht. Dass ganze Fernseher und Kühlschränke als Rückläufer direkt verschrottet worden sind. Wie viel Geld muss so ein Versandhändler verdienen, dass er sich das leisten kann, Waren einfach zu vernichten.“

sagt eine Schreibwarenhändlerin im Feature. Sie hatte allein im September über 1.000 Retouren abzuwickeln. Und wieder wird man zwischendurch erinnert:

„Sendeminute 32 – Retouren bis hierher: 17.024“

Gerade für kleinere Unternehmen ist es oft kostengünstiger, Rücksendungen zu verschrotten als die Ware neu aufzubereiten. Bei großen Versandhändlern werden ca. 2 % der Waren entsorgt, bei den kleinen sogar 14–15 %. Auch Spenden sind problematisch, denn dafür muss Umsatzsteuer für den Warenwert ans Finanzamt abgeführt werden – die Vernichtung der Waren ist für den Händler also kostengünstiger.

Während es bei Büchersendungen nur etwa 1 % Retouren gibt, liegt der Prozentsatz bei Damenjeans bei 65 %.

„Retouren pro Sendung: 28.728“

Das gibt zu denken, und wer mit diesem Hintergrundwissen das nächste Mal Online-Bestellungen aufgibt, wird vielleicht etwas weniger leichtfertig bei der Produktauswahl vorgehen, etwas gründlicher vorab recherchieren oder vielleicht doch besser mal wieder Jeans im Einzelhandel kaufen, wo man die richtige Größe vor Ort prüfen kann.

Am Ende der Sendung dreht dann endlich auch der immer wieder im Feature angerissene Deichkind-Sound voll auf, und man kann einen Ausschnitt aus dem passend gewählten Song „Dinge“ feiern:

„Dinge machen schön, Dinge kaufen,
Dinge aus Gold, Dinge laufen (…),
Dinge wollen haben, alle hinterher,
Dinge wegschmeißen, Dinge werden leer (…),
Ich häng' an Dingen, springe über Dinge,
Stapel' Dinge über Dinge,
Brauche diese Dinge dringend,
Dinge sind stumm, verschlingen Summen,
Dinge bringen Dinge auf den Punkt“

Produktion: WDR 2020, Ausstrahlung am 10. Januar 2021, WDR 5
Schön bequem, doch ein Problem: Retouren-Wahnsinn im Onlinehandel

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Kommentare 2
  1. Maximilian Rosch
    Maximilian Rosch · vor fast 4 Jahre

    Starker Beitrag, gut gewählte GesprächstpartnerInnen mit klugen Einschätzungen. Auch die von dir erwähnten wiederholten Hinweise, wie viele Retouren im bisherigen Sendungszeitraum zurückgingen finde ich gelungen.

    In der Suche gibt es unter dem Stichwort "Retouren" einige gute Empfehlung, sowohl im Experten- als auch im Expertenbereich https://www.piqd.de/se...

  2. christina mohr
    christina mohr · vor fast 4 Jahre

    Die Sendung habe ich schon mal gehört - sie hatte mich total deprimiert... aber auch dazu gebracht, mehr über mein eigenes Bestell- und Retourenverhalten nachzudenken.

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