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Volk und Wirtschaft

Kolonialer Wasserstoff aus Namibia?

Jürgen Klute
Theologe, Publizist und Politiker
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Jürgen KluteSonntag, 28.07.2024

Die Bundesregierung und Teile der deutschen Wirtschaft sehen in grünem – also mit Solarstrom erzeugtem – Wasserstoff eine Alternative zur Elektromobilität. Es ist unumstritten, dass es Bereiche gibt, in denen derzeit fossile Energieträger nicht durch Elektrizität ersetzt werden können. Dort wird Wasserstoff als Alternative vorerst nötig sein. Wasserstoff als Energieträger für den Massenverkehr gilt nach heutigem Wissensstand als äußerst ineffizient und sehr teuer, da die Produktion von Wasserstoff ein Mehrfaches an Strom erfordert als die direkte Nutzung von Strom für Elektromotoren in Autos.

Manche Verteidiger der Wasserstofftechnologie verweisen dann auf die negativen sozialen und ökologischen Folgen des Abbaus der Rohstoffe, die derzeit für leistungsfähige Batterien benötigt werden. Dieser Hinweis ist zwar berechtigt. Aber er blendet aus, dass die Produktion von grünem Wasserstoff kaum weniger negative Folgewirkungen hat.

Albert Shilongo zeigt diese negativen Folgewirkungen am Beispiel Namibias auf, in dem die Bundesregierung grünen Wasserstoff für die bundesdeutsche Wirtschaft produzieren lassen will. Denn in Deutschland reichen weder Flächen noch Sonne und Wind aus, um die für die Produktion von ausreichend grünem Wasserstoff nötigen Mengen an klimaverträglich erzeugtem Strom zu produzieren (Quellenangaben dazu finden sich unten in meiner Antwort auf den Kommentar von Ral Schnitzler). Vor dem Hintergrund des Völkermords an den Herero und Nama, den Deutschland im Gebiet des heutigen Namibia vor über 100 Jahren verübt und zu verantworten hat, bekommt das Ansinnen der Bundesregierung noch eine zusätzliche Brisanz, wie Shilongo darlegt.

Shilongo zeigt aber auch mögliche Alternativen zu einem neokolonialistischem Produktionsmodell auf.

Anmerkung

Ursprünglich hat die taz Danai Marumba als Autor:in angegeben gehabt. Mittlerweile wurde die Autor:innenangabe geändert. Autor:in ist Albert Shilongo. Ich habe das in meiner Empfehlung entsprechend korrigiert. (29.07.2024)

Kolonialer Wasserstoff aus Namibia?

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Kommentare 18
  1. Jörg Haas
    Jörg Haas · vor 3 Monaten · bearbeitet vor 3 Monaten

    Lieber Jürgen Klute, der Artikel wurde von Albert Shilongo veröffentlicht, nicht Danai Marumba. Aber er ist leider auch an so vielen Stellen tendenziös oder falsch. Man hat den Eindruck, die polemische Story von der neokolonialen Kontinuität knallt einfach zu schön, als dass man sie sich von Fakten kaputt machen lassen würde.
    Der Artikel basiert darauf, zwei völlig voneinander völlig unabhängige Entwicklungen zu verknüpfen: 1) Die Diskussion um Wiedergutmachung für den Völkermord an den Herero und Nama 2) Die Diskussion um das Hyphen-Projekt zur Herstellung von grünem Ammoniak. Beide werden nicht korrekt dargestellt. Ad 1) Hier gibt es den Entwurf eines Übereinkommens, der von beiden Regierungen erst einmal ausverhandelt wurde, dann aber in Namibia auf den Protest einiger Herero und Nama stieß. Möglicherweise muss da nachgebessert werden, aber das hat eigentlich wenig bis nichts mit den 2. Thema zu tun.
    Ad 2) Der Artikel tut so, als sei die Herstellung grünen Wasserstoffs eine deutsche Idee gewesen, und Deutschland habe sich dann Namibia neokolonial unterworfen. Das hat mit den Fakten wenig zu tun. Die Entwicklung einer nationalen Wasserstoffstrategie erfolgte durch die namibische Regierung als Teil einer Entwicklungsstrategie, welche die spezifischen Standortvorteile des Landes in einer postfossilen Welt für eigene industrielle Entwicklung nutzen will. Das lässt sich alles sehr schön nachlesen auf der Webseite der namibischen Regierung https://gh2namibia.com/ . Dort heisst es “Namibia is one of the top-five locations globally that is blessed with collocated wind and solar resources, near to sea and land export routes. The development of green hydrogen has therefore been identified as an essential industry to drive economic growth and assist Namibia and the world in achieving global decarbonisation goals.
    This strategy was adopted in Namibia’s national growth and economic plan, the Harambee Prosperity Plan II, and the Southern Corridor Development Initiative (SCDI) was conceived by Government for Namibia’s first gigawatt scale fully vertically integrated green hydrogen project.
    Under a competitive tender process, ~4,000mk2 of land in the Tsau//Khaeb National Park was allocated for the first projects, attracting bids from international and regional developers. The SCDI, comprising of ~26,000mk2, has the potential to produce up to 3 million tons per annum of green hydrogen. Namibia was assisted in the adjudication of bids to develop the first project by NREL, a national laboratory of the U.S. Department of Energy and two experts appointed by the European Union Global Technical Assistance Facility on Sustainable Energy. Following the adjudication process and ratification by the Green Hydrogen Council and Cabinet, Hyphen Hydrogen Energy (Hyphen) was selected as the preferred bidder for the first project in November 2021.” https://gh2namibia.com... .
    Der Autor fordert theatralisch: “Deutsche Investoren sollten darüber hinaus verpflichtet werden, Namibiern einen fairen Anteil an all ihren Investitionsprojekten in Namibia zu gewähren. Namibier sollten Miteigentümer sein, nicht billige Arbeitskräfte.” Er rennt offene Türen ein: Namibia hat sehr intensiv mit Hyphen verhandelt und für sich erhebliche ökonomische Vorteile herausgeholt (siehe o.g. PDF). U.a. wird ein 24% Anteil des Projekts dem namibischen Staat gehören, und gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen.

    1. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor 3 Monaten

      Erstmal danke für den Hinweis auf den Autorennamen. Der taz-Artikel wies ursprünglich den von mir eingefügten Namen als Autor aus. Aber mittlerweile zeigt auch die taz Albert Shilongo als Autor. Ich habe das korrigiert.

      Ansonsten ebenfalls Dank für die Ergänzungen. Ob die beiden verknüpften Entwicklungslinien tatsächlich völlig voneinander abhängig sind, ist m.E. eben eine zu diskutierende Frage. Der Autor sieht jedenfalls eine Verknüpfung. Dass die namibische Regierung die oben zitierte Position einnimmt, ist ja nicht per se eine Entkräftigung der These des Autors. Denn zwischen der Position der Regierung und anderen gesellschaftlichen Gruppen kann es ja unterschiedliche Positionen zu dem Projekt geben. Dass es eine Konkurrenz zwischen dem lokalen Bedarf an grünem Strom und dem Bedarf europäischer Länder an grüner Energie gibt, ist ja unbestreitbar. Daraus ergibt sich dann die Frage, für wen die namibischen Ressourcen genutzt werden. Und dass Deutschland mit seiner Fixierung auf Wasserstoff und dessen Nutzung für E-Fuels einen enormen Bedarf an grünem Strom hätte, der allein aus physikalischen Gründen nicht ausschließlich in Deutschland produziert werden kann, ist weitläufig bekannt. Damit ist dann die Frage verbunden, für wen die lokalen Ressourcen in anderen Teilen der Welt nutzbar sein sollen: Für die lokale Bevölkerung, um deren Lebensbedingungen zu verbessern, oder für europäische Gesellschaften, damit die möglichst wenig an ihren Lebensstilen ändern müssen. Dass aus namibischer Sicht damit Verbindungen zum historischen Kolonialismus wachgerufen werden, ist für mich daher nachvollziehbar.

      Wenn 24 % des Projektes der namibischen Regierung gehören, ist das aus meiner Sicht zu begrüßen. Damit ist aber noch nicht geklärt, wer innerhalb der namibischen Gesellschaft davon tatsächlich profitiert. Natürlich ist das erst mal ein innernamibisches Problem. Aber es ist eben eine Frage, die Kritik begründen kann. Schließlich ist die Frage, ob es sich bei dieser Beteiligung der namibischen Regierung an diesem Projekt um ein singuläres Modell handelt, oder ob insgesamt die Kontrolle über die Produktion und Verteilung grüner Energie in der namibischen Gesellschaft verbleibt und damit dann in Namibia entscheiden wird, was in welchem Umfang für wen produziert wird, oder ob diese Entscheidungen im wesentlichen in Deutschland oder anderen europäischen Ländern getroffen werden. Im letzten Falle handelte es sich dann doch um eine Variante des Neokolonialismus.

    2. Jörg Haas
      Jörg Haas · vor 3 Monaten · bearbeitet vor 3 Monaten

      @Jürgen Klute Nein, es gibt keine Konkurrenz. Diese bestünde, wenn grüner Strom in Namibia eine existierende, begrenzte Größe wäre, die entweder für lokale Bedarfe oder den Export genutzt werden könnte. Das ist nicht der Fall, solange die Flächen nicht begrenzt sind - und sie sind in Namibia nicht im entferntesten begrenzt, selbst das riesige Hyphen-Projekt wird nur einen sehr kleinen Teil des Nationalparks und des Süden Namibias einnehmen.
      Status Quo ohne Projekt: Bisher gibt es fast keinen grünen Strom, Namibia nutzt überwiegend aus Südafrika importierten Kohlestrom. Status mit Projekt: Über die eigenen Bedarfe für die Herstellung von grünem Ammoniak hinaus wird Hyphen in sehr erheblichem Umfang billigen überschüssigen Grünstrom ins Netz einspeisen und damit in weiteren Ausbaustufen den gesamten Strombedarf Namibias mit Grünstrom decken sowie Grünstrom nach Südafrika exportieren und dort zur Dekarbonisierung beitragen. Hier wird niemandem etwas weggenommen, hier wird etwas geschaffen.
      Die Solarstromerzeugung nur für den lokalen Bedarf hingegen hätte nicht die Skaleneffekte, wäre damit teurer. Es ist fraglich ob es dafür eine zahlungskräftige Nachfrage gäbe.
      Darüber hinaus: Es ist selbst eine Form europäischer Arroganz, afrikanischen Staaten nicht zuzutrauen, dass sie eigenständig und demokratisch legitimiert ihre Entwicklungsinteressen verfolgen, uns sie nur als Opfer manipulativer europäischer Interessen darzustellen. Namibia steht im Democracy Index mit 6,7 recht gut da, an dritter Stelle in Afrika und etwa wie Rumänien, oder Brasilien. Keine perfekte Demokratie, aber auch keine Bananenrepublik.
      Dass mit diesem Projekt ökologische und finanzielle Risiken verbunden sind, steht außer Frage. Aber der Artikel erzähltz nach meinem Kenntnisstand und Gesprächen mit namibischen und deutschen Offiziellen und der Fa. Enertrag eine grob verzerrte Story, die die realen Risiken und Probleme des Projekts eigentlich eher verschleiert.

  2. Ralf Schnitzler
    Ralf Schnitzler · vor 3 Monaten · bearbeitet vor 3 Monaten

    "Denn in Deutschland reichen weder Flächen noch Sonne und Wind aus, um die für die Produktion von ausreichend grünem Wasserstoff nötigen Mengen an klimaverträglich erzeugtem Strom zu produzieren." Das ist nicht korrekt. Fläche und Sonne und Wind reichen aus für das bischen Wasserstoff - was dann noch benötigt würde - wenn man z.B. die 2,4 Millionen Hektar Fläche - welche aktuell für Energiepflanzen genutzt werden - für Solar- und Windparks nutzt. Alleine Solarparks könnten dort jährlich ca. 3.000 Terawattstunden sauberen Strom erzeugen. Windparks dazu und Speicher, Speicher, Speicher, dann ginge das.
    Frage an den Autor: Woher weiß er so sicher, dass wir nicht ausreichend Fläche haben?

    1. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor 3 Monaten

      Ja, die Informationen zu den Flächen finden sich zum einen in dem Video "Harald Lesch ZERLEGT E-FUELS! – Synthetische Kraftstoffe wissenschaftlich analysiert | Terra X" (https://www.youtube.co...) und zum anderen in dem Abschnitt "Wasserstoff – Möglichkeiten und Grenzen" des "MEMORANDUM 2022
      Raus aus dem Klimanotstand –Ideen für den Umbruch" der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik.

    2. Ralf Schnitzler
      Ralf Schnitzler · vor 3 Monaten · bearbeitet vor 3 Monaten

      @Jürgen Klute Sehr geehrter Herr Klute, sowohl Herr Lesch, als auch die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik berechnen die Flächenthematik nicht, sondern behaupten das ohne Zahlen zu nennen. Sehr konkret wird dieser Artikel im Münchener Merkur (https://www.merkur.de/...) vom 27.07.2024, der sich auf eine aktuelle Studie EEB Studie bezieht (https://eeb.org/librar...)
      Mein Fazit: 2,3 Millionen Hektar Energiepflanzenanbaufläche sind mehr als 6 Prozent der Fläche von Deutschland oder mehr als 13 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen Deutschlands.
      Im Merkur Artikel wird davon gesprochen, dass 4,4 Prozent schon ein Riesenproblem wären. Wo ist da ein Problem, wenn wir jetzt schon mehr als 6 % für Energiepflanzen nutzen? Verstehen Sie meine Argumentation? Was denken Sie?

    3. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor 3 Monaten

      @Ralf Schnitzler Das kann ich so nicht bestätigen. Beide Quellen nennen sehr präzise Zahlen und begründen ihre Thesen sehr fundiert. Von seriöser wissenschaftlicher Seite sind die Aussagen von Lesch und auch vom Memorandum nie in Zweifel gezogen worden. Die Aussagen geben schlicht den aktuellen Stand der Wissenschaft wider.

    4. Ralf Schnitzler
      Ralf Schnitzler · vor 3 Monaten

      @Jürgen Klute Sie unterstellen mir Unseriosität? Meine Angaben sind leicht nachprüfbar und demzufolge seriös. Im angegebenen Video von Herrn Lesch finde ich nichts was dem widerspricht. Das angegebene Memorandum aus 2022 ist nicht frei verfügbar im Interent und darum kann ich da nicht nachlesen.
      Bitte senden Sie mir doch die entsprechenden Seiten, damit ich das prüfen kann.

    5. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor 3 Monaten

      @Ralf Schnitzler Ich unterstelle Ihnen hier keineswegs etwas. Ich verweise nur auf den aktuellen Stand der Wissenschaft. Wenn sie dem nicht folgen können oder wollen, dann unterstelle ich Ihnen damit nichts. Ich verweise lediglich darauf, dass der aktuelle Stand der Wissenschaft ein anderer ist und dass der nicht nicht mit Ihren Aussagen übereinstimmt. Das müssen Sie in einer freien Gesellschaft schon hinnehmen, dass es Wissenschaftler gibt, die aufgrund jahrelanger intensiver Forschungsarbeit zu argumentativ begründeten Einschätzungen kommen, die Ihre Einschätzungen nicht bestätigen.

      Zum Memorandum: Ich habe das nur in gedruckter Fassung und die habe ich ausgeliehen. Sie können den Band aber frei im Buchhandel für einen überschaubaren Preis erwerben.

    6. Ralf Schnitzler
      Ralf Schnitzler · vor 3 Monaten

      @Jürgen Klute Ich entnehme Ihrer Antwort, dass Sie selber nicht nachrechnen wollen, was ich und andere vorrechnen. Also beende ich hier den Streit mit Ihnen und werde diesen Streit mit denen ausfechten, die den aktuellen Stand der Wissenschaft vertreten. Ich werde Sie informieren, falls sich der ändert! :-)

    7. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor 3 Monaten

      @Ralf Schnitzler Sie haben sich viel vorgenommen! Dann wünsche ich viel Spaß bei dem Versuch und bin gespannt auf das Ergebnis.

    8. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Monaten · bearbeitet vor 3 Monaten

      @Jürgen Klute Hier die Zusammenfassung des Memorandums. Es ist eine der üblichen Projektionen in mögliche Zukünfte. Ich würde es also keinesfalls als Stand "der Wissenschaft" bezeichnen. Es ist ein Szenario nach Vorstellungen, Wunsch und Willen der Akteure. Und wahrscheinlich schon überholt. Die Zukunft ist offen ….

      https://www.alternativ...

    9. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor 3 Monaten

      @Thomas Wahl Erstens unterscheidet sich das Memorandum in diesen nicht von anderen wissenschaftlichen Prognosen. Prognosen haben es an sich, dass sie nicht immer eintreffen. Davon abgesehen lag die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik wohl häufiger richtig als die Prognosen der sog. Wirtschaftsweisen.

      Die Kalkulationen von Uwe Witt, der für das Kapitel zum Thema Wasserstoff verantwortlich zeichnet, fußen auf dem, was heute an Energiebedarf erwartbar ist. Das Wasserstoff ineffizienter ist als Strom, hat etwas mit Physik zu tun. Um Wasserstoff als Energie nutzen zu können braucht es einfach mehrere Umwandlungsschritte als beim Strom. Was wir wohl alle in der Schule im Physikunterricht gelernt haben, ist, dass jeder Umwandlungsschritt von Energie in eine andere Form von Energie selbst Energie kostet. Um so mehr Umwandlungsschritte es braucht, um so mehr Energie geht verloren und um so teuer wird die verbleibende Restenergie.

      Zudem sind Verbrennungsmotoren weit aufwändiger als Elektromotoren. Auch das sollte aus dem Physikunterricht nicht ganz unbekannt sein. Das sind die einfach physikalische Grundlagen, die sich politisch halt nicht umgehen lassen.

      Auf diesen Grundlagen basieren die Berechnungen von Witt und auch von Lesch. Die Bilanz mag in Zukunft aufgrund von Effizienssteigerungen noch etwas günstiger werden. Aber derzeit ist keine technische Entwicklung in Sicht, die Wasserstoff und E-Fuels zu einer Alternativen zur E-Mobilität machen könnte. Vielleicht ist das in einigen Jahrzehnten anders. Aber das nutzt ja nichts zur Bewältigung der aktuellen Klimakrise.

    10. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Monaten · bearbeitet vor 3 Monaten

      @Jürgen Klute Natürlich hat die Wasserstofftechnik und ihre Effizienz etwas mit Physik zu tun. Das ist eine Binse. Die Zukunft dieser und anderer Energietechniken entscheidet sich aber eben nicht allein aus ihrer singulären physikalischen Effizienz sondern auch aus ihrer Funktion im komplexen Gesamtsystem der Energieversorgung. Was in den simplen Modellen vieler Aktivisten immer wieder aus dem Blick gerät. Ein Energiesystem was weitgehend auf EE basiert, und dann noch möglichst "all electric" sein soll, besteht aus unzähligen volatilen Quellen und Senken sowie Speichern. Das hat man in der Schule nicht gelernt. Im Ingenieursstudium aber war das die ganz hohe Schule komplexer, nichtlinearer Systeme. Nicht wirklich auf einfache Physik zu reduzieren.
      Ich habe vor 20 Jahren angefangen mich im Auftrag des BMWi mit dem Thema zu beschäftigen. Wir haben in zahlreichen Fach- und Expertengesprächen begonnen ein Förderprogramm vorzubereiten - E-Energy (https://www.digitale-t... bzw. https://de.wikipedia.o...). Immerhin sind da 140 Mio. € reingeflossen.
      Schon damals war vielen Politikern und Ökonominnen nicht klar zu machen, dass das Mantra "EE macht den Strom ganz billig" nicht einfach stimmt. Es braucht ein ganz anderes extrem komplexes, ressourcenintensives und teures Energiesystem. Das wurde immer wieder als politischer Angriff auf die Vorstellung verstanden, "Sonne und Wind schicken keine Rechnung". Was irgendwie als Metapher richtig sein mag, aber eben auch wissenschaftlich-technischer Nonsens ist. Heute haben wir den Salat, aber viele träumen immer noch vom billigen EE-Strom für alle. Und in diesem komplexen System wird H2 in einem evolutionären Prozess seinen Platz finden müssen um das Gesamtsystem zu optimieren. Die Ökonomie des Wasserstoffs hängt also nicht allein von seiner eigenen Energieeffizienz ab, sondern von seiner Rolle/Funktion im zu stabilisierenden Gesamtsystem. Aber ja, H2 ist für sich genommen ein komplizierter Stoff und braucht relativ viel Energie zur Herstellung. Ich glaube auch nicht, dass er zu einer Alternative zur E-Mobilität wird. Für chemische und metallurgische Prozesse wäre er der Elektrizität als Wärmequelle evtl. aber überlegen. Ähnlich für schnelle Gaskraftwerke. Wir werden sehen - Versuch macht klug ….

      Was solche Prognosen betrifft - sie sind wichtig aber eben sehr unzuverlässig. Abhängig von den Startparametern, den Intentionen und den Weltbildern. Ich hab im BMBF eine Zeit lang auch die Delphi Reports betreut (zB. https://www.bmbf.de/Sh...). War unheimlich spannend, aber m.E. wenig brauchbar und zutreffend. Und wer redet heute noch von dieser Methode und der Zukunftsforschung? Solche Vorhersagen sind wohl ein Teil der Wissenschaft - das will ich gar nicht bestreiten - aber das Experiment, das dann die empirischen Belege liefert, das ist die Geschichte selbst. Erst dann schließt sich der Kreis der Wissenschaftlichkeit. Da klaffen dann riesige Lücken zwischen Prognose, Plan und Ergebnis. Also Vorsicht vor den eigenen Gewissheiten.

      Gibt es irgendwo einen empirischen/statistischen Beleg dafür, das die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik häufiger richtig lag als die Prognosen der sog. Wirtschaftsweisen? Über welchen Zeitraum und in welchen Feldern?

    11. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor 3 Monaten

      @Thomas Wahl Nur eine Anmerkung dazu: Strom zur Wasserstoffproduktion müsste notwendigerweise CO2-frei produziert werden. Sonst würde das Klima weiter erhitzt werden.

      Nach heutigem Stand der Wissenschaft würde eine Wasserstofftechnologie eine mehrfache Menge an Strom benötigen als eine Verkehrswende zur E-Mobilität.

      Die von dir beschriebenen Probleme bei der CO2-freien Erzeugung von Strom, der ja für die Produktion von Wasserstoff erforderlich ist, würden sich also bei einer Umstellung auf eine Wasserstofftechnologie vervielfachen und auch die Kosten würden entsprechend steigen.

      Was soll dann bitte der Sinn einer solche Strategie sein?

    12. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Monaten · bearbeitet vor 3 Monaten

      @Jürgen Klute "Auch Wissenschaftler und Marktbeobachter rechnen inzwischen anders. Das Beratungshaus McKinsey etwa hält im Jahr 2035 beim Strom einen Endkundenpreis von 49 Cent pro Kilowattstunde für möglich. Das ist nicht billiger, sondern teurer als heute – und hätte Auswirkungen auf die Betriebskosten von Wärmepumpen und Elektroautos.

      „Die vermeintlichen Gewissheiten älterer Prognosen, wonach eine Elektrifizierung von Industrie-, Verkehrs- und Gebäudesektor volkswirtschaftlich zu präferieren sei und ein stetiger Zubau erneuerbarer Energien die Endkundenpreise nach unten treibe, sind mittlerweile brüchig“, sagt Constantin H. Alsheimer, Vorsitzender des Vorstands der Thüga Aktiengesellschaft. Jüngere Studien, so Alsheimer, berücksichtigten nun auch „den erforderlichen Netzausbau, der sich in einer Vervielfachung der Stromnetzentgelte und damit einem Anstieg des Haushaltsstrompreises niederschlägt.“

      Die vor 160 Jahren gegründete Thüga ist geradezu die Keimzelle der deutschen Stadtwerke-Landschaft. Heute ist sie an rund 100 kommunalen Unternehmen der Energiebranche beteiligt. Diese Stadtwerke zeichnen sich durch ihre besondere Nähe zum Endkunden aus. Probleme mit der Umsetzung der Energiewende schlagen hier zuerst in den Callcentern und Rechnungsabteilungen auf.

      Während Elektrifizierungs-Anhänger wie Graichen einst schon mit dem „Rückbau der Gasnetze“ beginnen wollten, sehen neuere Prognosen durchaus Chancen, das Pipeline-System für klimaneutralen Wasserstoff weiter nutzen zu können. „Die pauschale Annahme, dass Wasserstoff der Champagner der Energiewirtschaft sei, also knapp und extrem teuer, könnte durchaus der Erkenntnis weichen, es handele sich eher um Mineralwasser, also weit weniger knapp und preislich moderater“, sagt Alsheimer…."
      https://www.welt.de/wi...

    13. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor 3 Monaten

      @Thomas Wahl Ds sind Interessen geleitete Spekulationen von einem Unternehmen und nicht nicht von Fachwissenschaftlern. Das ist alles zigfach widerlegt. Deshalb sind auf internationaler Ebene längst die Weichenstellungen erfolgt in Richtung E-Mobilität.

      Nach heutigem Stand wir Wasserstoff Erdgas nicht vollständig ersetzen, sondern es wird nur beigemischt. Weder Gasheizungen noch Gasnetze sind auf die Nutzung von Wasserstoff ausgerichtet. Wasserstoff lässt sich in den alten Gasleitungen nicht ohne aufwändige Herrichtungen transportieren. Das ist alles zigfach durchdiskutiert.

      Handlungsbedarf besteht heute, nicht in 50 Jahren. Insofern sind Lösungen, die vielleicht in 50 Jahren denkbar sind, keine Antwort auf die heutigen Handlungsnotwendigkeiten.

      Wie gesagt: International ist die Weichenstellung Richtung E-Mobilität längst erfolgt. Andere Länder bauen längst eine entsprechende Ladestruktur für e-Mobilität auf.

      Daraus ergeben sich dann Fragen, wie die BRD damti umgehen will. Die BRD ist eines der bedeutendsten Transitländer Europas. Wie will man in der BRD damit umgehen, wenn die Nachbarländer auf E-Mobilität umsteigen? Soll es dann in der BRD neben einer Wasserstoffversorgungsstruktur zusätzlich eine Ladestruktur für E-Mobilität geben? Wenn nicht, wäre der Transitverkehr durch Deutschland erheblich erschwert oder teils auch unmöglich gemacht. Eine doppelte Struktur bedeutet aber auch erheblich höhere Kosten. Wer will oder soll diese Mehrkosten dann tragen? Was bedeutet das für die internationale Konkurrenzfähigkeit?

      Wenn die BRD auf Wasserstoff setzt, die Nachbarländer aber auf E-Mobilität: Wie sollen dann Autos aus der BRD in den Nachbarländern betankt werden? Denn dort wird nach heutigem Sachstand keine Ladestruktur für Wasserstoff oder E-Fuels aufgebaut. Können Autos aus der BRD dann zukünftig nur noch in der BRD rumfahren?

      Verbrennungsmotoren sind zudem rückständig. Autos brauchen heute aufgrund moderner Steuerungstechnik und Navigationssystemen viel mehr Strom, weil IT bzw. Rechner eine Schlüsselrolle spielt. E-Autos haben den Vorteil, dass sie nur eine Energieform laden müssen, weil Strom für Antrieb und für den Betrieb der IT an Bord genutzt werden kann – das gilt dann erst recht für moderner Formen der Mobilität, die dann selbstfahrend sein wird; das dürfte mit Wasserstoffantrieb viel zu kompliziert und komplex sein. Wasserstoff kann nur für den Antrieb genutzt werden. Dann muss entweder zusätzlich Stromspeicher an Bord oder aber es braucht eine Brennstoffzelle. Das bedeutet aber einen Mehraufwand an Technik und Kosten für ein Auto. Wer wird für eine solche unnötig aufwändige und nutzlos teure Autovariante, die systembedingt zudem weit der technischen hinterherhinkt, ausgeben wollen?

    14. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Monaten · bearbeitet vor 3 Monaten

      @Jürgen Klute Interessen geleitet sind alle Prognosen und alle enthalten spekulative Momente. Das gilt besonders für die apokalyptische Unterstellung, wir müssen alles jetzt und politisch von oben Entscheiden und in D sofort umsetzen. Agora läßt grüßen. Es geht auch nicht darum, dass Wasserstoff die Elektromobilität ersetzt. Es geht nicht um entweder H2 oder Strom. Das ist eine vereinfachte Unterstellung. In der Mobilität wird sich, zumindest bei PKW, das Elektroauto durchsetzen. Die Frage ist allerdings wann? Die massive Ausrichtung unseres zukünftigen Energiesystems auf Wind und Sonne erzeugt notwendigerweise gewaltige Strom-Überkapazitäten. Jedenfalls, wenn es auch bei wenig Sonne und Wind noch ausreichend Strom erzeugen soll. Natürlich könnte und müsste man das für Power to Gas nutzen. H2 wäre dann Energiespeicher und auch Energiequelle für verschiedene Anwendungen. Sicher muß man die Leitungsnetze modernisieren. Ansonsten wird eine allein auf EE basierende Infrastruktur unbezahlbar. Eine mehrfache Infrastruktur haben wir heute schon - Elektrizität, Kohle, Gas, Öl, Wasserkraft. Und die Energien sind billig. Das muß auch in Zukunft so sein, wenn wir die globalen Probleme lösen wollen - CO2-frei.

      Übrigens, dass alles zigfach durchdiskutiert ist, das besagt gar nichts. Der glaube, durch diskutieren widerlegen man etwas oderist finde man den richtigen Weg vorab ist aber unausrottbar. Ja, auch heute besteht schon Handlungsbedarf. Aber erst in 50 Jahren werden wir bzw. unsere Nachfahre wissen, was sich durchgesetzt hat. Die von der deutschen oder europäischen Politik anvisierten kurzfristigen Ziele sind unrealistische Illusionen ….

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