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Zeit und Geschichte

Walter Benjamins Kritik am modernen Geschichtsbild

Dirk Liesemer
Autor und Journalist
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Dirk LiesemerMittwoch, 26.07.2017

Wer sich angesichts all der Krisen an den Kopf fasst und denkt: "dass so etwas heute noch möglich ist", sollte diesen Text von Wolfram Eilenberger lesen. Der Chefredakteur des Philosophie Magazins erinnert an ein Essay des Philosophen Walter Benjamin aus dem Jahr 1940. Benjamin lebte damals nahezu mittellos und körperlich wie seelisch erschöpft im Exil in Paris. Jeden Tag musste er fürchten, von den Nationalsozialisten entdeckt und deportiert zu werden. Sollte er jemals an geschichtlichen Fortschritt geglaubt haben, dann verabschiedete er sich nun von diesem Gedanken. In seinem letzten großen Text kritisierte der Philosoph radikal die Vorstellung, dass sich die Welt zum Besseren entwickelt. Er hinterfragte dieses, wie er es recht treffend nannte, "sozialdemokratische" Geschichtsbild und formulierte stattdessen ein gänzlich neues. Kurz gesagt ging er davon aus, dass nicht nur die Zukunft offen vor uns liegt, sondern auch die Vergangenheit. Denn der Blick zurück ist nicht zuletzt abhängig von der Zeit und der Gesellschaft, in der wir leben. So plausibel sein neues Geschichtsbild klingen mag: Die Vorstellung, dass sich die Menschheit entwickeln kann, ist bis heute weit verbreitet und wird mit Slogans wie "Yes We Can" immer wieder aktualisiert. Denn für Politiker ist die Verlockung natürlich groß, Botschaften zu formulieren, die den Wählern eine Besserung der ach so schlimmen Lage in Aussicht stellen.

Walter Benjamins Kritik am modernen Geschichtsbild

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Kommentare 1
  1. Daniel Schreiber
    Daniel Schreiber · vor mehr als 7 Jahre

    Das sind tolle Texte - sowohl der von Benjamin als auch der erklärende Beitrag von Wolfram Eilenberger. Ich habe den Eindruck, dass man beim Lesen sofort versteht, wie recht Benjamin hat, dass man sich aber dagegen wehrt. Dass sich die Welt zum Schlechteren wandeln kann, dass Vergangenheit und Zukunft immer offen für neue Erzählungen sind, ist schwierig zu akzeptieren. Vielleicht ist es so, dass nicht nur Politiker die Fiktion vom Fortschritt brauchen, sondern wir alle die Idee, dass sich die Welt zum Besseren wandeln wird, benötigen, um weiterleben zu können...

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