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Zeit und Geschichte

Der Diktator als Dichter

David Kretz

Studium der Philosophie und Germanistik an der University of Chicago, davor Geistesgeschichte, Literatur und politische Philosophie in Paris, Berlin und Wien.

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David KretzSamstag, 28.10.2017

Nero, Mussolini, Goebbels, Stalin, Kim Il-Sung, Mao Zedong, Karadzic, Ayatollah Khomenei, Osama Bin Laden und Saddam Hussein – sie alle schrieben Gedichte. 

Sie hegten geheime Vorlieben für den klassischen Stil, den ihre Zensoren anderen verbaten. Sie fanden ihre Erzeugnisse in Kriegsverbrecher-Tribunalen wieder, als Beweismaterial der Ankläger. Sie schrieben anonym oder ließen sich preisen, in Palästen und in Todeszellen. Von Kitsch bis überraschendem Talent ist alles dabei.

Schade nur, dass auf die Titelfrage nicht wirklich eine Antwort gegeben wird: was fasziniert den autoritären Charakter als solchen an der Dichtung? Woher stammt der

link between ruthlessness and sentimentality, the twin desire for power and pity ?

Wer eine Antwort will müsste bei Platon anfangen: Der Staat, Phaedrus, Ion.  Aber das ist eine andere Geschichte. 

So bleibt es hier bei einer Liste, allerdings verblüffender Anekdoten. Eine ungewöhnliche Perspektive auf einige der größten Verbrecher der Menschheitsgeschichte. 

Der Diktator als Dichter

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Kommentare 4
  1. Daniel Schreiber
    Daniel Schreiber · vor 7 Jahren

    Danke für die Empfehlung - das ist ein wahnsinnig spannender Text, vor allem in dieser Ausführlichkeit der Beispiele. Es schlackern einem die Ohren, wenn man liest, dass so gut wie alle Diktatoren, die man kennt, auch hingebungsvoll Gedichte geschrieben haben. In allen Epochen und allen Teilen der Welt. Ich habe viel gelernt. Ich teile aber auch Ihre Kritik, dass man gerne mehr über das "Warum" gelesen hätte. Daher meine Frage: Was schreibt Plato diesbezüglich im von Ihnen erwähnten "Staat"?

    1. David Kretz
      David Kretz · vor 7 Jahren

      Danke, freut mich, dass der Piqd gefallen hat! :)

      Zu Platon: die Sache ist kompliziert. Im 3. Buch des "Staates" plant Sokrates mit dem jungen Glaukon den berühmt-berüchtigten Idealstaat und die beiden schlussfolgern letztlich, dass in einem solchen Staat die Dichter verbannt werden müssen weil sie generell das Irrationale und Emotionale im Menschen befeuern, das in dem rationalistisch-hierarchisch geordneten Staat keinen Platz haben darf.

      Sokrates' Argument hier ist nicht unbedingt Platons (selber ein literarisches Genie) und die ganze "Idealstaatskonstruktion" möglicher Weise eher eine Warnung an Glaukon und Platons junge Leser, dass Utopienplanung am metaphysischen Reißbrett zu totalitären Entwürfen führt. Dafür spricht auch, dass im 10. Buch das Urteil gegen die Dichter teilweise zurückgenommen wird.

      In Buch 9 findet sich ein psychologisches Profil des Tyrannen, ein Thema, das Platon auch in vielen anderen Dialogen beschäftigt (einige von Sokrates' besten Schülern wurden ebenso Tyrannen: Alkibiades und Charmides). Dabei wird klar, dass unkontrollierte Emotionen und Maßlosigkeit zentral für den autoritären Charakter sind.

    2. David Kretz
      David Kretz · vor 7 Jahren

      @David Kretz Worin Platons abschließendes Urteil besteht... ich bin mir nicht sicher. Platon zu lesen wäre für mich hier insofern der Anfang, als dass dort das Verhältnis von Dichtung und Politik und vom Charakter des Tyrannen aus vielen Blickwinkeln beleuchtet werden und zentrale Stellungen einnehmen.

      Alkibiades I, Charmides, Symposium (indem Alkibiades wieder auftaucht) wären relevant. Phaedrus und Ion handeln von Dichtern und Dichtung. Am Ende des Ion wird auch die Verbindung Dichtung, Rhetorik und militärischer Führerschaft nochmal aufgenommen...

    3. Daniel Schreiber
      Daniel Schreiber · vor 7 Jahren

      @David Kretz Vielen Dank! Bin gerade total beeindruckt :) Das ist super, danke.

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