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Zeit und Geschichte

Soll die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung Millionen bekommen?

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergSamstag, 09.10.2021

Es ist ein heikles Ding. Normalerweise bekommen Parteien, die zweimal in den Bundestag in Fraktionsstärke einziehen, Millionen Steuergelder für eine parteinahe Stiftung, die vorrangig für politische Bildung ausgegeben werden sollen.

Mit der AfD könnte dieser Geldstrom erstmals für eine rechtsextreme Partei fließen.

Was bedeutet das?

Was tun?

Diesen Fragen stellt sich Jan Böhmermann in einem langen Abschnitt seiner neuen Ausgabe vom ZDF Magazin Royale. Dabei wird satirisch überhöht, aber nicht geblödelt.

Viele der grellen Aussagen der Sendung sind Zitate.

Wie ernst die Lage ist, zeigt auch eine Studie der Otto Brenner Stiftung, die Arne Semsrott und Matthias Jakubowski verfassten.

In der Zusammenfassung heißt es:

Die Arbeit parteinaher Stiftungen in Deutschland wird gegenwärtig mit 660 Millionen Euro jährlich gefördert – Geld, das ihnen größtenteils aus dem Bundeshaushalt für ihre zahlreichen Tätigkeiten zur Verfügung gestellt wird. Sie erhalten vom Staat insgesamt mehr als dreimal so viel Geld wie die ihnen nahestehenden Parteien. Das Verfahren zur Finanzierung ist bisher äußerst intransparent und informell. Es kann von der Öffentlichkeit kaum nachvollzogen und kontrolliert werden.

Ein eigenes Stiftungsfinanzierungsgesetz, das die Vergabe der finanziellen Mittel öffentlich nachvollziehbar machen könnte, existiert nicht. Dies könnte dazu führen, dass mit der Gründung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) nach der Bundestagswahl 2021 erstmals eine Stiftung gefördert wird, die dem extrem rechten Parteienspektrum nahe steht.

Unsere Studie zeigt, dass die DES ein zentraler Baustein für Versuche der Neuen Rechten ist, in Deutschland Hegemonie im vorpolitischen Raum zu erlangen.

...

Mit einer staatlichen Förderung in Millionenhöhe könnte die DES dauerhafte Strukturen schaffen, um derart menschenfeindliche Positionen der Neuen Rechten in der Gesellschaft stärker zu verankern.

Um zu verhindern, dass die DES staatlich gefördert wird, muss zum einen eine gesetzliche Grundlage für die Voraussetzungen sowie einen transparenten Prozess zur Stiftungsfinanzierung geschaffen werden. Zum anderen muss die Arbeit der Stiftung überprüft und dann im Lichte der Erkenntnisse entschieden werden, ob der DES der Status als gemeinnützige Organisation aberkannt werden sollte.

Hier findet man die gesamte Studie, die die Gefahren einer AfD-nahen Stiftung aufzeigt.

Kurzum, es geht nicht nur darum, der Desiderius-Erasmus-Stiftung die Gelder zu verweigern, sondern die Stiftungsfinanzierung insgesamt neu zu gestalten.

Vieles deutet auf einen politischen Kampf hin, der mehr als ein Scharmützel ist.

Soll die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung Millionen bekommen?

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Kommentare 8
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor 3 Jahren

    Das mit diesen parteinahen Stiftungen ist seltsam genug. Dass diese auch noch Millionen Steuergelder erhalten, eigentlich ein Skandal.
    klar können Institutionen gefördert werden - aber nur weil eine Partei Stimmen erhalten hat? (Und da müssen etwa Extremismus-Bekämpfer jährlich um Fördermittel kämpfen!)
    Jetzt rächt sich diese Lasche intransparente Methode für "Parteienfinanzierung". ..

  2. Thomas K.
    Thomas K. · vor 3 Jahren

    Dazu sei angemerkt:
    1. Wenn eine Otto-Brenner-Stiftung, die selbst als gewerkschaftsnah und somit klar politisch positioniert gilt, einen Mitbewerber mit Totschlagvokabeln wie "menschenfeindlich" oder "undemokratisch" angeht, dann ist das ein alles andere als demokratisches Vorgehen. Dasselbe gilt für die selbsternannten Demokratiewächter des gebührenfinanzierten Rundfunks. Meines Wissens sind bisher keine Aktivitäten der DES bekannt, die nicht durch die Grundfreiheiten des GG gedeckt wären.
    2. Ich erinnere mich, dass die Rosa-Luxemburg-Stiftung der LINKEN Informationsreisen nach Venezuela veranstaltet hat, um das dortige autoritäre Regime zu unterstützen und als Modell für Deutschland anzupreisen. An diesen fragwürdigen Aktivitäten hat sich niemand ernsthaft gestört, ebenso wenig wie an der Tatsache, dass sich im Dunstkreis dieser Stiftung linksradikale Verfassungsfeinde austoben.
    3. Ein transparentes Stiftungsrecht ist überfällig. Wenn man jetzt die DES zum Anlass nimmt, ein solches zu schaffen, wäre das sicherlich ein Fortschritt. Es darf nur nicht der Eindruck entstehen, es handle sich um eine Lex DES. Die Rechte, die bestehende Stiftungen bisher jahrelang selbstverständlich in Anspruch genommen haben, gelten auch für die DES.

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 3 Jahren

      Wenn Sie die satirische Sendung sich ansehen oder/und die quellengestützte Studie lesen, werden sie Belege für Punkt 1 finden.

      Dass die Rosa-Luxemburg-Stiftung Venezuela als Modell für Deutschland angepriesen hat, stimmt nicht. Da täuscht Sie Ihr Gedächtnis. Wie soll auch eine auf Erdölvorkommen basierende Wirtschaft ein Modell für Deutschland sein?

      Wer Informationsreisen organisiert, kann autoritäre Staaten nicht ausklammern. Mit der Bundeszentrale für politische Bildung war ich zum Beispiel in Aserbaidschan; entscheidend bleibt, wie man darüber berichtet.

      Bei Punkt 3 stimme ich zu, aber das lange "Verschlafen" könnte sich rächen. Deshalb beginne ich mit dem Satz: "Es ist ein heikles Ding."

    2. Thomas K.
      Thomas K. · vor 3 Jahren

      @Achim Engelberg "Beleg" ist in diesem Zusammenhang relativ, denn "menschenfeindlich" ist keine valide Kategorie, sondern ein ideologischer Kampfbegriff - siehe dazu z.B. NZZ vom 24.9.2021. Die Sympathien der RLS für autoritäre Linksregime ist durchaus belegt. Dass es sich bei den Venezuela-Reisen um mehr als um Informationsreisen gehandelt hat, ist hier nachzulesen: https://www.tagesspieg... Außerdem wären da bspw. euphorische Beiträge von Dario Azzelini in RLS-Publikationen zur angeblichen Arbeiterkontrolle in Venezuela (die natürlich nichts anderes waren als Kontrollinstrumente des Regimes) oder Veröffentlichungen von linksradikalen Hardlinern wie Wolfgang Gehrcke, der bis heute das Maduro-Regime verteidigt. Also, wenn man die reine demokratische Lehre zur Bedingung für eine staatliche Förderung machen wollte, dann hätte man sich längst auch die RLS genauer ansehen müssen. Auf jeden Fall sollte eine erweiterte Rechenschaftspflicht dafür sorgen, dass Steuergeld nicht Extremisten zugute kommt, bei der RLS wie auch bei der DES.

    3. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 3 Jahren

      @Thomas K. Die letzte Aktivität der RLS zu Venezuela - vor über 2 Jahren - ist anders als von Ihnen beschrieben:

      https://www.rosalux.de...?

      Bislang sind in der RLS vergleichbare Vorgänge wie in der DES nicht belegt, weshalb sich die Diskussion an der DES entzündet.

      Wahrscheinlich aber wird es Fragwürdiges geben wie in allen anderen parteiennahen Stiftungen. So jedenfalls die Position derjenigen, die die Studien zum Thema vorlegten.

    4. Thomas K.
      Thomas K. · vor 3 Jahren

      @Achim Engelberg Dieser Vortrag von Stefan Peters ist sicher nicht repräsentativ für die Aktivitäten der RLS. Peters kenne ich persönlich, der hat mit Linksextremisten natürlich nichts zu tun, aber er wurde offenbar als Länderexperte eingeladen.
      Die "Vorgänge" innerhalb der DES, die Sie ansprechen, sind mir nicht ganz klar. Die Studie der Otto Brenner Stiftung widmet sich ausführlich den Strukturen der sog. Neuen Rechten und den Verbindungen zur DES. Nur: die Neue Rechte als solche gibt es nicht, ebenso wenig wie eine geschlossene neurechte Ideologie. Teile der in diesem Spektrum verbreiteten Ideen sind aus liberal-demokratischer Sicht problematisch. Das gilt aber auch für ökoautoritäre Ideen innerhalb der Grünen oder für sozialistische Ideen innerhalb der Linken. Als Angriff auf die DFGO ist all das nicht zu bewerten. Deshalb sehe ich hier ein doppeltes Problem: erstens wird ganz offensichtlich mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen und zweitens werden Dinge als undemokratisch qualifiziert, die durch die Meinungsfreiheit gedeckt sind und keinen Angriff auf die FDGO darstellen.

    5. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 3 Jahren

      @Thomas K. Für die Aktivitäten in und über Venezuela scheint/ist Peters für die RLS repräsentativ.

      Man darf nicht vergessen, es sind parteiennahe Stiftungen, nicht Parteienstiftungen. Es gibt Spielräume und Überschneidungen.

      So erhielt ich zum 200. Geburtstag von Bismarck (2015) Vortragseinladungen von der Luxemburg-, der Adenauer- und der Ebertstiftung. Außerdem war debatierte ich am Tag der offenen Tür im Bundesrat, der maßgeblich von den parteiennahen Stiftungen geprägt ist.

      Leider kann ich nicht sagen, wie die Auseinandersetzung um die DES ausgeht. Mein Eindruck ist, zu viele hofften, dass sich das Problem von alleine löst. Das ist nun nicht mehr der Fall.

      Was ich zur Lektüre oder zur Betrachtung vorschlug, ist der Stand der Dinge. Es kann ja, da bislang die größeren Gelder nicht flossen, nur Indizien, keine Beweise geben.

      Es bleibt heikel.

    6. Thomas K.
      Thomas K. · vor 3 Jahren

      @Achim Engelberg Repräsentativ für die RLS scheint mir eher Azzelini zu sein, aber gut.

      Ich denke auch, dass die Befürchtung, die DES könnte sich zu einer Brutstätte völkischen Gedönses entwickeln, nicht unbegründet ist. Leider hat es die Union versäumt, die rechte Flanke des Parteienspektrums hinreichend abzusichern, so dass wir dieses Problem nun haben. Willkürlich die Regeln zu ändern, um bestimmte politische Positionen auszuschließen, halte ich jedenfalls für sehr gefährlich. Womöglich werden wir mit der Neuen Rechten leben müssen - so, wie wir mit der Neuen Linken leben, die sich trotz ihrer totalitären und terroristischen Verirrungen im Erziehungs- und Mediensektor festgesetzt hat.

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