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Zeit und Geschichte

UnVergessen: Anna Walentynowicz, Mitbegründerin Solidarność

Michaela Maria Müller
Autorin
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Michaela Maria MüllerMittwoch, 22.12.2021

In der Serie "UnVergessen" stellen wir Menschen vor, von denen wir der Ansicht sind, dass es sich lohnt, mehr zu erfahren.

Anna Walentynowicz (1929-2010) wurde in der heutigen Ukraine geboren. Ihre Eltern sterben früh. Mit den Vertreibungen nach Ende des Zweiten Weltkriegs kommt sie nach Danzig, heiratet, bekommt ein Kind, trennt sich von ihrem Mann und ist dann alleinerziehend.

Sie beginnt bei der Leninwerft in Danzig zu arbeiten, erst als Schweißerin, dann als Kranführerin. Immer wieder setzt sie sich für die Rechte der Arbeitnehmer:innen ein, immer wieder wird sie dafür gemaßregelt, zwangsversetzt und 1953 sogar verhaftet und verhört, weil sie sich beschwert, dass Frauen weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen. Im August 1980 wird sie fünf Monate vor ihrer Pensionierung gekündigt, weil sie sich einmal mehr für bessere Arbeitsbedingungen und die Gründung einer freien Gewerkschaft einsetzt. Ihre und Lech Wałęsas Entlassung sind die Ursache für den Beginn des Streiks am 14. August 1980. Sie schreibt:

Am 7. August geschah es – ich wurde entlassen. […] Ich vermutete damals nicht, dass die Werft still stehen würde, niemand dachte daran. Die Leute von den Freien Gewerkschaften hängten Plakate über meine Entlassung sowie Plakate mit der Forderung einer Gehaltserhöhung um 1000 Zloty auf.

Sie war also die zentrale Figur, obwohl sie – bescheiden, unbequem und stur, aber solidarisch – kein Aufsehen um sich machen wollte. Der Regisseur Volker Schlöndorff verfilmte 2006 mit Katharina Thalbach in der Hauptrolle ihr Leben ("Strajk. Die Heldin von Danzig"), eine Verfilmung, die sie aber ablehnte. In seinem Nachruf an sie erinnert sich Schlöndorff daran.

Am 31. August 1980 wurde dann das Danziger Abkommen geschlossen. Mehr als 10 Millionen Menschen traten anschließend in die erste freie Gewerkschaft ein, 54 % von ihnen waren Frauen. Wie oft in der Anfangsphase einer sozialen Bewegung waren sie es, die die Forderungen vorangebracht haben. Auf den Fotos bei der Unterzeichnung des Danziger Abkommens, auf Podien und Sprecherpulten sind jedoch heute nur Männer zu sehen. Doch neben Anna Walentynowicz spielten in den Streiktagen auch die Straßenbahnbahnschaffnerin Henryka Krzywonos, die Verkäuferin Ewa Ossowska, die Krankenschwester Alina Pieńkowska oder die Ingenieurin Joanna Duda-Gwiazda eine wichtige Rolle. In diesem Beitrag wird diese ein wenig näher beleuchtet.

Die Radioreportage, die der piqer-Kollege Ulrich Krökel über die Solidarność-Bewegung hier empfohlen hat, möchte ich auch noch einmal besonders hervorheben. Der Geschichte der polnischen Gewerkschaftsbewegung wird dort nachgespürt, aber es wird auch eine Brücke in die Gegenwart geschlagen, wenn die Amazon-Angestellte Agnieszka Mróz davon berichtet, wie sie in Poznań die Inicjatywa Pracownicza, eine Basisgewerkschaft gegründet hat.

Anna Walentynowicz starb am 10. April 2010. Sie zählte zu den Todesopfern des Flugzeugabsturzes in der Nähe des Militärflugplatzes in Smolensk.

UnVergessen: Anna Walentynowicz, Mitbegründerin Solidarność

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Kommentare 3
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor fast 3 Jahre

    Hier ist vieles nicht Auf-, sondern Verklärung.

    Einmal heißt es zwar, dass sie die "Symbolfigur für das konservative Polen" war, aber näher erläutert wird das nicht.

    Wie kam es denn das Frau Walentynowicz beim Flugzeugabsturz starb, aber nicht die Männer, die sie glücklicherweise zurückgedrängt hatten?

    Weil diese entweder von den reaktionären Kaczynski-Zwillingen nicht eingeladen waren oder abgesagt hatten.

    Walentynowicz dagegen unterstützte die Kräfte, die heute noch an der Macht sind und die gerade die Frauenrechte drastisch reduzierten.

    Das Medium von Frau Walentynowicz war zuletzt das Radio Maryja, ein national-katholischer Kanal mit antisemitischen Untertönen.

    1. Michaela Maria Müller
      Michaela Maria Müller · vor fast 3 Jahre

      Danke für die Ergänzungen. Du verweist darauf, dass es in einem der verlinkten Texte heißt, sie sei Symbolfigur für das konservative Polen gewesen. Meiner Meinung nach ist das in dem Fall Information genug, denn die empfohlenen Texte erheben keinen Anspruch, die Geschichte Polens seit den 1950er-Jahre zu rekapitulieren, sondern meine Intention war es, den Blick darauf zu richten, dass es neben den Männern der Solidarność, von denen heute fast ausschließlich die Rede ist, auch und wie so oft bei sozialen Bewegungen, an Frauen kaum erinnert wird. Deshalb fiel meine Wahl auf Anna Walentynowicz. Es ist als Anregung zu verstehen, weiterzulesen.

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor fast 3 Jahre

      @Michaela Maria Müller Naja, die geschichtsmächtigen Gestalten von Solidarność mussten aber diese Verbohrte ins Aus drängen.

      Täglich erwartete man einen Einmarsch in Polen. Es bestand Kriegsgefahr in Europa und da konnte man keine Frau gebrauchen, die nicht "konservativ", sondern "reaktionär" war und blieb. Auf Deutschland übertragen: Damals Republikanerin, heute AfD.

      Da die Führung von Solidarność, die mehr als eine Gewerkschaft war, international unerfahren war, gab es etliche Intellektuelle, die sie berieten.

      Einer von ihnen war Andrzej Wajda, der den ersten Film über Solidarność drehte und dafür eine Palme in Cannes bekam.

      In diesem kommen auch etliche Frauen vor.

      UnVergessen sollte Wislawa Szymborska sein:
      https://de.wikipedia.o...

      Sie beriet die Arbeiterführer und erhielt von diesen - vor dem Nobelpreis für Literatur - den Literaturpreis von Solidarność.

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