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Feminismen

Zwischen Angst und prekärer Balance: Masha Gessen über das Leben von LGBT-Familien in Russland

Daniel Schreiber
Autor und Journalist
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Daniel SchreiberFreitag, 14.06.2019

Diese neue bewegende Reportage von Masha Gessen, die dieses Frühjahr den Leipziger Buchpreis für europäische Verständigung erhalten hat, habe ich mit einem Gefühl wachsender Beklemmung gelesen. Gessen selbst ist 2013 mit ihren beiden Kindern und ihrer Frau von Moskau nach New York emigriert, als die Homosexualitätspanik in Russland nach dem "Propagandagesetz" ihren ersten Höhepunkt erreichte. Für diesen Text porträtiert sie vier LGBT-Familien, die ebenfalls über Emigration nachdenken bzw. es schon einmal versucht haben, aber bisher in Russland geblieben oder wieder zurückgekehrt sind. Dabei entsteht das Bild eines Lebens in ständiger Angst aber auch in einer prekären Balance. Banden jagen mithilfe sozialer Medien Schwule und Lesben. Die vier hier vorgestellten Paar leben in der Regel extrem zurückgezogen. Weder halten sie auf der Straße Händchen noch küssen sie sich ohne heruntergezogene Jalousien in ihrer Wohnung. Häufig sollen weder Nachbarn noch Arbeitskollegen davon erfahren, dass sie ein Paar sind und zusammen Kinder haben. Obwohl der juristische Vorstoß, Lesben und Schwulen generell ihre Kinder wegzunehmen, gescheitert ist, kommt es etwa häufiger vor, dass das Jugendamt nach heterosexuellen Scheidungen versucht, einem Elternteil zu verbieten, seine Kinder auch nur zu besuchen, wenn dieses Elternteil inzwischen lesbisch oder schwul lebt. Was diese Paare davon abhält, nach Westeuropa, Israel oder in die Vereinigten Staaten auszuwandern, ist die Angst vor dem Verlust ihres Zuhauses und einem kompletten Neuanfang in einem fremden Land. Die hier vorgestellten Frauen haben Geld und gute Jobs, leben in der privilegierten Innenstadt Moskaus und haben sich ein gut funktionierendes soziales Netz aufgebaut. Doch niemand von ihnen kann sagen, wann die prekäre Lebenssituation, die sie sich erschaffen haben, kippen wird bzw. ob sie rechtzeitig genug bemerken werden, wenn es so weit ist und sie auch dieses Leben nicht mehr führen können werden.     

Zwischen Angst und prekärer Balance: Masha Gessen über das Leben von LGBT-Familien in Russland

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