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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Seit dem Aufstieg der bürgerlichen Gesellschaft entwickelten sich Städte zu Laboratorien der Moderne.
Paris avancierte zur Hauptstadt des 19. Jahrhunderts, so etwa im Passagenwerk von Walter Benjamin (1892-1940), der die Sicht auf die Metropolen revolutionierte. Mit einem Neapel-Porträt begann dessen Serie von Städtebilder, die unlängst neu ediert wurden.
Von Neapel bis Castellamare, längs der proletarischen Vorstädte, zieht sich das Hauptquartier der festländischen Kamorra. ... Es ist verteilt über Stadt und Vorstadt. Das macht sie gefährlich. Dem reisenden Bürger, der bis Rom sich von Kunstwerk zu Kunstwerk wie an einem Staket weitertastet, wird in Neapel nicht wohl.
In unserer Epoche, in der seit 2007 erstmals mehr Menschen in Städten als in Dörfern leben, rückt Neapel wieder in den Fokus. Vor allem durch Elena Ferrantes Romansaga über zwei ziemlich beste Freundinnen.
Immer noch sind die wohlhabenden Quartiere im Westen, die schwierigeren im Osten. Auf Spurensuche nach Ferrantes Neapel im realen begibt sich Birgit Schmid in die wilde Stadt am Meer.
Eine «gefügige Angst» besetzte die Eltern und übertrug sich auf die Kinder. Diese Angst war «eine Tatsache wie das Rione, wie seine schmutzigweissen Häuser, wie der Geruch von Armut auf den Treppenabsätzen, wie der Staub auf den Strassen». Erst später verstehen Elena und Lila, dass die Unterwelt das Rione regiert: die Camorra, die Mafia von Neapel.
Vieles änderte sich seit Benjamins Tagen: Der Sturmwind der Globalisierung fegt durch Neapel. Die Textilindustrie ist in chinesischer Hand, afrikanische Flüchtlinge schlagen sich als Straßenhändler durch.
Wer wie Roberto Saviano in Gomorrha (2006) ohne Visier über Neapel schreibt, riskiert ein Leben unter Polizeischutz. Deshalb sagt Verleger Sandro Ferri, der weiß, wer sich hinter Ferrante verbirgt,
dass ihre Anonymität ihr die Möglichkeit gibt, ehrlicher zu sein, mehr Risiken auf sich zu nehmen.
Und mit den Gefahren der Städte wuchs und wächst der Reiz der Dörfer.
Quelle: Birgit Schmid / Walter Benjamin / Elena Ferrantes Bild: Ottavio Sellitti nzz.ch
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